Berliner Morgenpost: Horst Seehofer mit neuer Rolle
Berlin (ots)
Zum ersten Mal ist Horst Seehofer als Parteivorsitzender der CSU und als Ministerpräsident ins bayerische Wildbad Kreuth gefahren. Ein legendärer Ort, an dem zuletzt Edmund Stoiber im Jahr 2007 von der eigenen Partei zum Rücktritt gezwungen worden war. Für Seehofer ging das Treffen gut aus. Mehr noch, er machte mit den Beschlüssen der CSU wieder bundesweit Schlagzeilen. Denn die CSU mag zwar die kleinste Partei im Deutschen Bundestag, noch dazu eine auf Bayern beschränkte Regionalpartei sein. Aber sie gibt in diesen Tagen den Ton vor. Auch gestern war die CSU wieder einmal mutiger als die CDU und legte sich als erste Partei im Superwahljahr auf eine Koalitionsaussage fest - zugunsten der FDP. Die CSU meint es ernst, sie will raus aus der großen Koalition. Dass die CSU die politischen Debatten bestimmt, ist umso erstaunlicher, denn noch vor wenigen Wochen lag die Partei am Boden. Bei der Landtagswahl Ende September 2008 hatte die CSU nach mehr als 40 Jahren die absolute Mehrheit verloren, der Ministerpräsident und der Parteivorsitzende traten zurück, die Partei war auf eine Koalition mit der FDP angewiesen, um weiter regieren zu können. Erstaunlich schnell hat die CSU nach dieser verheerenden Wahlniederlage wieder Fuß gefasst. Das liegt vor allem an einem Mann: an Horst Seehofer. Der hat seinen Rollenwechsel vom Bundesverbraucherminister und damit vom Kabinettsmitglied in der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel gut bewältigt. Nun muss er sich nicht mehr der Kabinettsdisziplin beugen, nun kann er Politik für Bayern machen. Ganz nach dem Motto: "In Bayern ruhig regieren, in Berlin profilieren." Sei es bei den Themen Erbschaftsteuer, Pendlerpauschale oder Steuersenkungen. Und Seehofer hat recht: In der bundesweiten, seit Tagen anhaltenden Diskussion über Konjunkturprogramme interessiert dieses Thema die Menschen - also die Wähler - wohl am meisten. Natürlich reicht es nicht, populistisch jedem Ledigen je nach Einkommensteuer eine Steuerentlastung von 200 bis 300 Euro zu versprechen. Seehofer muss schon sagen, wie ein solches Milliardenprogramm finanziert werden soll. Aber wer möchte, dass die Menschen Autos oder neue Kühlschränke kaufen, dass sie Handwerker ins Haus holen und regelmäßig im Restaurant essen gehen, der muss ihnen mehr Geld zur Verfügung stellen. Und wie man sieht, ist Angela Merkel schon auf Seehofers Linie eingeschwenkt, auch SPD-Chef Franz Müntefering ist bereit, den Grundfreibetrag für untere Einkommen anzuheben. Das wäre zumindest ein Anfang. Seehofer, der früher als Bundesminister in Krisenzeiten schon mal sein Handy ausschaltete und tagelang nicht erreichbar war, entwickelt sich zu einem politischen Schwergewicht. In den jüngsten Umfragen liegt die CSU bei 45 Prozent - etwas besser als bei der Landtagswahl, aber noch weit entfernt von der absoluten Mehrheit. Wenn Seehofer so weitermacht, wird er das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen.
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