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Berliner Morgenpost: Die Giftpfeile der SPD treffen den Nerv - Kommentar

Berlin (ots)

Der kühnste und erfolgreichste Wahlkämpfer der SPD
hieß Gerhard Schröder. Mit präzisem Gefühl für die Stimmung bei den 
Menschen zog der Altkanzler die Reizthemen hervor. Der Kampagnero 
Schröder bleibt bis heute das Trauma der Union. Wer nach einer 
Ideallinie sucht, auf der die Sozialdemokraten bis zur Bundestagswahl
doch noch Richtung 30 Prozent aufsteigen können, muss nur eine Frage 
beantworten: Was hätte ein Vizekanzler Schröder getan, würde die 
Partei zwischen linkem Lafontaine und mittemächtiger Merkel dümpeln?
Ganz einfach: Schröder hätte, siehe Holzmann, den wortmächtigen 
Volkstribunen gegeben. Regel eins: klare Feindbilder zeichnen: 
Investment-Banker, Boni-Manager, Pelzmantel-Milliardärinnen und 
Amerikaner, vor allem die bei General Motors. Zweite Regel: die SPD 
als Schutzschirm, als Rettungspaket der kleinen Leute darstellen, 
also: mehr Lohn, mehr Kündigungsschutz, mehr Mitbestimmung, 
Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Regel drei: kein Zaudern, 
sondern durchziehen. Hätte Schröder die große Koalition noch vor dem 
Wahltag gesprengt? Aber selbstverständlich.
Es scheint, als ob Frank-Walter Steinmeier, Franz Müntefering, sein 
getreuer Parteiorganisator Kajo Wasserhövel und selbst Mobbing-Opfer 
Kurt Beck einen Schnellkurs beim Altkanzler belegt hätten. Denn alle 
vier stießen, offenbar orchestriert, am Wochenende ins gleiche Horn. 
Müntefering bemühte den Evergreen von der Reichensteuer, Steinmeier 
und Beck forderten mehr Staat bei Opel, Wasserhövel die 
Börsenumsatzsteuer. Die Strategie ist klar: Verfügt man nicht über 
die eine unschlagbare Waffe, wird der Gegner mit unzähligen kleinen 
Giftpfeilen genervt.
Gerade der Appell für Staatshilfen bei Opel sorgt im Kanzleramt für 
Groll, da sie das Meinungs-Chaos in der Union illustrieren. Tapfer 
kämpft Wirtschaftsminister zu Guttenberg für den Markt, der 
Markt-Politiker Koch wiederum plädiert für Regierungsgeld, gemeinsam 
mit Arbeiterführer Rüttgers. Bei der Kanzlerin wiederum rufen alle 
deutschen Autobauer an, um sich, zu Recht, über verzerrten Wettbewerb
plus Subvention für GM zu beschweren. Offenbar scheint die SPD 
entschlossen, Opel zum Symbol zu machen, an dem man auch die 
Koalition scheitern lassen könnte.
Angela Merkel steckt in einer unkomfortablen Lage: Was immer sie der 
SPD zugesteht, bereitet ihr Probleme im eigenen Laden. Ein 
Disziplinierungsinstrument hat die Kanzlerin nicht; allenfalls den 
Rauswurf des kleinen Koalitionspartners. Darauf wiederum warten die 
Sozialdemokraten nur. Denn dann könnten sie so richtig losschrödern. 
In normalen Zeiten wäre dieses Taktieren zwischen Bedrohen und 
Umklammern ein Fest für Fans des politischen Entertainments. In 
Krisenzeiten sind derlei Spielchen eher ärgerlich: Die Probleme des 
Landes werden so garantiert nicht gelöst.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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