Berliner Morgenpost: Eine Geste der Versöhnung gegenüber Polen
Berlin (ots)
Erika Steinbach hat dem öffentlichen Druck nachgegeben: Nachdem sie schon vor einer guten Woche angekündigt hatte, dass sie bereit sei, auf ihren Platz in der geplanten Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu verzichten, zog sie sich nun gestern zurück. Offiziell sah das dann so aus: Der Bund der Vertriebenen (BdV) nahm die Entscheidung seiner Präsidentin an und verzichtet auf deren Nominierung. Den Platz im Stiftungsrat, der eigentlich von Steinbach besetzt werden sollte, wird der BdV aber frei lassen und nur zwei von drei ihm zustehenden Vertreter in das Gremium schicken. Der Stiftungsrat kann damit schon im nächsten Monat bestimmt werden und dem Aufbau der Ausstellungs- und Dokumentationsstätte in der Nähe des Anhalter Bahnhofs in Berlin steht nichts mehr im Wege. Der Respekt am gestrigen Tag gebührt Erika Steinbach. Auch wenn sie nicht ganz freiwillig ging: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich führte in den letzten Tagen viele Gespräche, um den öffentlichen, den internationalen Streit über Steinbachs Nominierung zu beenden. Polen hatte sich vehement gegen die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach, die seit 1998 BdV-Präsidentin ist, ausgesprochen. Für die SPD machte Bundesaußenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier deutlich, dass man wegen der heftigen Kritik aus Polen die Berufung von Steinbach nicht mittragen werde. Damit war klar, es die Stiftung und das Zentrum gegen Vertreibungen nur ohne Steinbach geben würde. Sicherlich, Erika Steinbach ist nicht ganz ohne Grund umstritten. Mit ihrer Kritik am politischen Gegner war sie nie zimperlich. In Polen verzeiht man ihr nicht, dass sie 1990 im Bundestag als eine von wenigen Abgeordneten gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze stimmte. Auch einem Beitritt Polens zur Europäischen Union stand sie sehr skeptisch gegenüber - und sagte dies auch. Deshalb befürchteten die Polen, dass in dem Zentrum die Geschichte relativiert und die Deutschen nur als Opfer dargestellt werden sollen. Doch solche Vorbehalte waren meist überzogen. Erinnern wir uns: Erika Steinbach hatte gemeinsam mit dem 2005 verstorbenen SPD-Politiker Peter Glotz die Idee für das Vertriebenenzentrum. Sie brachte Gerhard Schröder dazu, als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler bei einem Vertriebenen-Treffen aufzutreten. Sie stellte die Verantwortung der Nationalsozialisten für den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust und auch das Leid in Polen niemals in Frage. Und weil sie - gemeinsam mit Glotz - die Initiative für das Vertriebenenzentrum ergriffen hatte, müsste sie selbstverständlich auch Mitglied im Stiftungsrat sein. Als eines von 13 Mitgliedern, die unverdächtig sind, dass sie die Geschichte verfälschen oder die Situation der Vertriebenen einseitig darstellen wollen. Nun, es ist anders gekommen. Ein Zentrum für Vertreibungen ist wichtig - für die jungen Menschen, die diese Ereignisse nur noch aus Fernsehfilmen kennen, für die Überlebenden in Deutschland und Polen. Es wird Zeit.
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