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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Deutschlands Rentner mussten lange warten - Kommentar

Berlin (ots)

Die Renten steigen, mitten in der schweren
Wirtschaftskrise, so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die 20 
Millionen Senioren profitieren zum einen davon, dass der Lohnanstieg 
des vergangenen Jahres nun zeitverzögert die Altersbezüge klettern 
lässt. Ein Teil der Erhöhung resultiert allerdings aus einer 
Manipulation an der Rentenformel. Die Koalition hatte im vergangenen 
Jahr den Regelmechanismus so verändert, dass 2008 und 2009 die Renten
überplanmäßig steigen. Offensichtlich wollte die Regierung die 
bedeutende Bevölkerungsgruppe der Ruheständler vor der im Herbst 
anstehenden Bundestagswahl friedlich stimmen. Der Schritt hat also 
sehr viel mit politischer Taktik - und sehr wenig mit Sozialpolitik 
zu tun.
Deshalb irrt Arbeitsminister Olaf Scholz gewaltig, wenn er die 
spürbare Erhöhung als Zeichen der Verlässlichkeit des hiesigen 
Sozialstaates bezeichnet. Der willkürliche Eingriff in die 
Rentenmechanik untergräbt vielmehr das Vertrauen in die staatliche 
Alterssicherung. Diesmal ging die Sache zugunsten der Rentner aus. 
Doch die werden kaum vergessen haben, dass es in den vergangenen 
Jahren auch schon unsystematische Kürzungen gab. Damals profitierten 
die Beitragszahler. Doch solche staatliche Eingriffe sind niemals 
fair. Nicht mit derlei Ad-hoc-Maßnahmen, sondern nur mit 
langfristigen Reformen lassen sich die Interessen zwischen Jung und 
Alt austarieren. Der von der Regierung für zwei Jahre ausgesetzte 
"Riester-Faktor", mit dem der jährliche Rentenanstieg gedämpft wird, 
ist mit gutem Grund in die Rentenformel eingefügt worden. Er gleicht 
aus, dass die gesetzliche Alterssicherung den heutigen Ruheständlern 
ein Versorgungsniveau garantiert, das die derzeitigen Beitragszahler 
nur noch erreichen werden, wenn sie zusätzlich privat vorsorgen. Der 
Riester-Rentenreform von 2001 war eine lange Debatte über 
Generationengerechtigkeit vorangegangen. Und das damalige Gesetz ging
keineswegs einseitig zu Lasten der Älteren, sondern verteilte die 
Kosten der demografischen Entwicklung gerecht auf die Schultern aller
Altersgruppen.
Wenn Politik einmal anfängt, Rente nach Kassenlage zu zahlen, leistet
sie den allseits befürchteten Verteilungskämpfen zwischen den 
Generationen Vorschub. Auch ohne die Manipulation an der Rentenformel
hätten die Senioren in diesem Jahr - völlig berechtigt - eine reale 
Erhöhung bekommen. Denn die Altersbezüge sind an die Lohnentwicklung 
gekoppelt. Die Arbeitnehmer profitierten im vergangenen Jahr von dem 
damals noch robust scheinenden Aufschwung. Das Plus in den Lohntüten 
wirkt sich jetzt rentensteigernd aus. Auch ohne das Wahlgeschenk 
hätten die 20 Millionen Ruheständler ab Juli mehr Geld zur Verfügung 
und angesichts der anstehenden Senkung der Krankenkassenbeiträge - 
auf Kosten der Steuerzahler - und der niedrigen Inflation auch real 
eine deutlich Erhöhung, die man ihnen nach den vielen mageren Jahren 
gerne gegönnt hätte.
Nun aber bleibt ein bitterer Nachgeschmack für die Beitragszahler - 
und für die Rentner die Gewissheit, dass Sparrunden folgen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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