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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Der Kampf gegen Piraten erfordert neue Strategien - Kommentar

Berlin (ots)

In Deutschland stritten Innenministerium und
Marine, wer denn für eine Kommandoaktion zur Befreiung deutscher 
Besatzungsmitglieder aus der Gewalt somalischer Piraten 
verantwortlich sei - im Ergebnis wurde die Geiselnahme fortgesetzt. 
Auf einem amerikanischen Frachter nahm die unbewaffnete Mannschaft 
den Kampf gegen die Seeräuber auf, brachte einen Pirat vorübergehend 
in ihre Gewalt, konnte dann aber nicht verhindern, dass die Angreifer
zunächst mit dem (renitenten) Kapitän als Geisel im Beiboot flohen.
Der deutsche Kompetenzwirrwarr lässt den FDP-Maritimexperten Rainer 
Stinner bereits eine "dringende und akribische Aufklärung im 
Parlament" fordern. Die entschlossene Reaktion der amerikanischen 
Besatzung ruft hingegen nach Hollywood. Doch dieser 
grundunterschiedliche Umgang mit Attacken der Seeräuber sollte nicht 
nur Empörung über Bürokratie auf der einen und Bewunderung für 
heroische Gegenwehr auf der anderen Seite erwecken, sondern das 
Fehlen einer stringenten Strategie der seehandeltreibenden Nationen 
im Kampf gegen die Piraten deutlich machen. Der von der Nato 
unterstützte Marineeinsatz "Atalanta" der EU jedenfalls löst die 
Probleme nicht.
So stellt sich zunächst die Frage, warum im aktuellen Fall des 
entführten deutschen Frachters "Hansa Stavanger" mit einem deutschen 
Kapitän und vier weiteren deutschen Besatzungsmitgliedern an Bord die
Polizisten der Spezialeinheit GSG 9 von Innenminister Wolfgang 
Schäuble für einen Kommandoeinsatz bereitstanden, offenkundig aber 
nicht die KSK-Elitesoldaten, die von Verteidigungsminister Franz 
Josef Jung befehligt werden.
Doch selbst wenn es zum Zugriff käme: Die deutsche Politik (bei den 
europäischen Nachbarn sieht es ganz ähnlich aus) ist keineswegs 
erpicht darauf, Piraten vor eigene Gerichte zu stellen. Dies soll nur
geschehen, wenn ein "hinreichendes deutsches 
Strafverfolgungsinteresse" vorliegt - was im Fall der "Hansa 
Stavanger" nun wohl kaum noch weggeleugnet werden kann. Aber wegen 
der erkennbaren Angst, verhaftete Piraten, denen ein Verbrechen aus 
welchen Gründen auch immer nicht nachzuweisen wäre, könnten sich vor 
deutschen Gerichten plötzlich als Asylbewerber ausgeben, wird 
letztlich wohl tatsächlich nur ein neues Stück globaler 
Justizbürokratie für effiziente Verlässlichkeit sorgen, nämlich die 
Einrichtung eines internationalen Piraterie-Gerichtes.
Gravierender aber noch für den unbefriedigenden Stand des 
internationalen Kampfes gegen die Seeräuberei ist die schiere Größe 
des Operationsgebietes im Golf von Aden und entlang der afrikanischen
Ostküste. Piratenbekämpfung lediglich auf hoher See gleicht der Suche
nach der Nähnadel im Dorfteich. Soll die Marinepräsenz vor Somalia 
nicht verfünffacht werden (und das auf unabsehbare Zeit mit immensen 
Kosten), muss die Küste selbst in die Militäraktionen einbezogen 
werden. Geben die Seeräuber nicht auf, müssen sie auch zu Land 
bekämpft werden.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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