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Berliner Morgenpost: Familienfreundlichkeit ist kein Selbstzweck - Leitartikel

Berlin (ots)

Familie ist "in". Nicht erst seit die Politik das
Thema entdeckt hat. Aber Familie ist heute anders als noch vor 30 
Jahren. Damals ging Vati arbeiten, und Mutti machte den Rest, also 
Küche, Kinder und kreative Inneneinrichtung. Heute gibt es das 
natürlich immer noch - aber auch die 18 Prozent der Familien, in 
denen die Mutter allein mit ihren Kindern lebt, mal mehr, mal weniger
selbstbestimmt. Oder die 18 Prozent der jungen Väter, die Elterngeld 
beantragen und sich für ein paar Wochen aus dem Job ausklinken. Eines
scheint bei aller Unterschiedlichkeit der Lebensformen klar: Das 
Bedürfnis, nicht nur eine Familie zu haben, sondern diese auch zu 
erleben, steigt. Sogar und gerade in Zeiten der Krise. So wichtig der
Job als ökonomische Basis für eine Familie ist - er ist im Gegensatz 
zur Familie selbst ein unsicherer Faktor, auch das unterscheidet die 
wahrgenommene Lebenswirklichkeit von der vor 30 Jahren.
Ein gutes Familienleben ist vielen Menschen heute mindestens ebenso 
wichtig wie ein befriedigendes Berufsleben. Viel zu selten geht das 
in Deutschland zusammen. Was nicht allein an den beschämend wenigen 
betriebseigenen Kindergärten liegt. Es hat auch mit einem Berufsethos
zu tun, das Produktivität und Kreativität in abgesessenen Bürostunden
misst, natürlich in möglichst vielen. Dass das Unsinn ist, lernen wir
langsam. Auch, dass es im Gegenteil produktiver und 
zufriedenheitsfördernder sein kann, es wie die Skandinavier zu 
halten: Dort ist selbstverständlich, dass Väter ab 17 Uhr bei der 
Familie sind. Schlechter als den Deutschen geht es den Schweden oder 
Norwegern deshalb nicht.
Wenn nun IHK, Handwerkskammer und Gewerkschaften "familienfreundliche
Betriebe" in Berlin auszeichnen wollen, dann tun sie gut daran. Denn 
viele Unternehmen, auch die öffentlichen, hinken der 
gesellschaftlichen Entwicklung weit hinterher. Jeder lobt das dichte 
Kinderbetreuungsnetz in Berlin - doch Berlins Firmen sind weniger gut
auf moderne Familien eingestellt. Betriebskitas, aber auch 
Unterstützung für Mitarbeiter, die ihre Angehörigen pflegen, flexible
Arbeitszeiten, auch längere Auszeiten im Beruf, familiengerechte 
Betriebsvereinbarungen - es gibt noch viel zu tun. Und dabei geht es 
nicht um Wohltaten. Es geht auch darum, Unternehmen zukunftsfit zu 
machen. Zufriedene Mitarbeiter sind eben bessere Mitarbeiter. Eine 
Binsenweisheit, klar. Aber sie stimmt.
Der nun initiierte Wettbewerb um mehr Familienfreundlichkeit in den 
Betrieben und eine "Deklaration zur Vereinbarkeit von Familie und 
Beruf", wie sie der sogenannte Familienbeirat nun etwas pompös 
betitelt vorlegt, schaden nicht. Was sie nützten, wird sich zeigen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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