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Berliner Morgenpost: In Thüringen öffnet sich die Tür zur großen Koalition - Leitartikel

Berlin (ots)

Sehr spät, aber gerade noch rechtzeitig hat
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus die einzig folgerichtige 
Konsequenz gezogen. Mit seinem Rücktritt hat er sich einen Rest von 
Respekt bewahrt, seine Partei vor einem internen Machtkampf pro oder 
kontra Wahlverlierer Althaus bewahrt und schließlich die Aussichten 
für eine Koalition mit der SPD entscheidend verbessert. Althaus ist 
das Opfer seines eigenen Ehrgeizes geworden. Er gilt als 
beratungsresistent, teamunfähig, und gegenüber dem politischen Gegner
führte sich der praktizierende Katholik geradezu unchristlich 
polarisierend auf. Koalitionsverhandlungen mit ihm drohten von 
vornherein für die CDU zu einer gefährlichen Gratwanderung zu werden.
Menschlich belastend kommt hinzu, dass Althaus aus dem von ihm 
verschuldeten Skiunfall mit Todesfolge auch noch wahltaktisches 
Kapital zu ziehen versuchte. Sein Wahldesaster überraschte denn auch 
nicht mehr wirklich.
Nicht allein für die CDU kommt der Rücktritt einer Erlösung gleich. 
Dem SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie fällt es nun leichter, 
das Versprechen seiner Partei, Bodo Ramelow von der Linkspartei auf 
keinen Fall zum ersten Ministerpräsidenten der SED- Nachfolgepartei 
zu wählen, auch tatsächlich einzuhalten. Denn mit dem Abgang des 
selbstherrlichen Regierungschefs und Parteivorsitzenden hat die SPD 
ein anderes zentrales Wahlziel erreicht: Abwahl und damit Ende des 
Systems Althaus. Damit ist die CDU zu einem personellen wie 
inhaltlichen Neuanfang genötigt. Das öffnet für die SPD die Tür zu 
Koalitionsverhandlungen weit; selbst als nur drittstärkste Kraft auf 
Augenhöhe und damit ohne Gesichtsverlust. Natürlich wird es 
Sondierungen auch mit der Linkspartei Ramelows geben. Das gehört zu 
den Ritualen nach einer Wahl mit ungeklärten Mehrheitsverhältnissen. 
Doch weit werden sie nicht gedeihen. Selbst wenn die Linkspartei den 
Regierungschef gnädigst der SPD zugestehen würde, müsste Matschie 
dankend ablehnen. Aus gleich drei Gründen. Erstens wäre ein 
Ministerpräsident der kleineren Partei auf Gedeih und Verderb dem 
größeren Partner, also der Linkspartei, ausgeliefert; die SPD würde 
wie weiland Frau Ypsilanti ein Versprechen brechen; und drittens 
würde sie dem Kanzlerkandidaten Steinmeier mit einer solchen 
Wahlkampflüge schwer in den Rücken fallen. Hinzu kommt, dass es auch 
in Thüringens SPD große Vorbehalte gegenüber einer Linkspartei gibt, 
in der hinter dem Reformer Ramelow erneut Abgeordnete mit 
Stasi-Vergangenheit sitzen, die der Erfurter Landtag für 
"parlamentsunwürdig" erklärt hat.
So läuft denn in Thüringen alles wie 1994 schon einmal auf eine neue 
große Koalition zu, die angesichts von nur noch 18,5 Prozent der SPD 
diesen Namen eigentlich gar nicht mehr verdient. Beste Aussichten, 
künftige Regierungschefin zu werden, hat die langjährige Ministerin, 
Landtagspräsidentin und Fraktionschefin Christine Lieberknecht. Die 
CDU-Politikerin hat nicht nur reiche politische Erfahrung, sie hat 
sich auch parteiübergreifend Respekt verschafft. Gute Aussichten 
also, dass mit Christine Lieberknecht erstmals eine Frau 
Ministerpräsidentin in Ostdeutschland wird.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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