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Berliner Morgenpost: Der Geist von Meseberg soll die Koalition beflügeln - Leitartikel

Berlin (ots)

Ein paar Termine haben sie festgelegt, dazu
Kommissionen eingesetzt und auch noch einige Zuständigkeiten 
innerhalb der Regierung geklärt. Allenfalls die Ankündigung, dass 
nach dem Vorbild der konzertierten Aktion aus den 70er-Jahren im 
Dezember Regierung, Wirtschaft, Banken und Gewerkschaften gemeinsam 
über weitere Auswege aus der Wirtschaftskrise beraten werden, konnte 
ein wenig überraschen. Das war's inhaltlich aber auch schon, was sich
Schwarz-Gelb - kaum gewählt - in ihrer ersten Klausur im 
brandenburgischen Schloss Meseberg erarbeitet hat. Wahrlich nicht 
viel. Aber der wahre Zweck des Treffens auf dem Lande mit 
Übernachtung war ja auch ein anderer.
So disharmonisch und widersprüchlich sich CDU, CSU und FDP in den 
ersten Wochen ihrer doch eigentlichen Wunschpartnerschaft dem 
staunenden Volk präsentiert haben, wurde es höchste Zeit für eine 
therapeutische Sitzung. Von der Notwendigkeit, die Teamfähigkeit zu 
fördern, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Vizekanzler Guido 
Westerwelle davon, das Betriebsklima zu pflegen. Beides haben die 
Koalitionäre bitter nötig. Ob das bessere Kennen- und Verstehenlernen
samt bestärktem Gefühl um die gemeinsame Verantwortung für Erfolg 
oder Scheitern der ersten bürgerlichen Koalition nach elf Jahren 
gelungen ist, bleibt abzuwarten. Einsichtig zumindest zeigten sich 
beide. Dabei wurde allerdings die Personalie, die schon in der großen
Koalition für erheblichen Zündstoff gesorgt hatte, durch das probate 
Mittel der Nichtbehandlung entschärft; wenn auch nur vorübergehend. 
Im Streit um die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika 
Steinbach, hat sich Westerwelle als Außenminister aber schon so 
verrannt, dass man an seinem diplomatischen Geschick zweifeln darf 
wie daran, dass die Koalition für diese Personalie noch einen 
versöhnlichen Ausweg findet.
Sie ist natürlich von eher bescheidener Bedeutung angesichts der 
Gesamtherausforderung an das Führungsduo Merkel/Westerwelle. Die 
beiden müssen es schaffen, die Wirtschaft wieder auf Touren zu 
bringen, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen und damit zugleich 
mehr Geld in die Staatskasse zur Umsetzung der eigenen Absichten. In 
dieses große Ziel fügt sich der angekündigte Wirtschaftskrisengipfel 
als flankierende Unterstützung. Auch in diesem Zusammenhang waren die
bisherigen verbalen Querelen innerhalb der Koalition zur künftigen 
Steuer-, Verschuldungs- und Gesundheitspolitik höchst ärgerlich und 
unproduktiv. Ernst kann die Diskussion erst werden, wenn das 
Datenmaterial verlässlicher als bislang ist. Realitäten zählen, kein 
Wunschdenken.
Es ist deshalb auch völlig überzogen, nach nur ein paar 
Regierungswochen ein fertiges, grundlegend verändertes Steuer- oder 
Gesundheitssystem zu verlangen. Auch diese Regierung braucht Zeit für
Reformen, für die sie von den Wählern ein Mandat hat. Die Zeit ist 
allerdings knapp und darf nicht durch parteiliche oder ministerielle 
Egoismen vergeudet werden. Wenn sich in der "Gruppentherapie" von 
Meseberg diese Einsicht durchgesetzt hat, hat sich die Fahrt in die 
Mark tatsächlich gelohnt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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