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BERLINER MORGENPOST: Und wieder grüßt das alte West-Berlin - Leitartikel

Berlin (ots)

Verkehrte Welt in der Hauptstadt: Im politischen Berlin sprechen alle über eine mögliche Kandidatur der Grünen-Fraktionschefin im Bundestag. Auch im bürgerlichen Lager. Renate Künast wird zugetraut, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aus dem Roten Rathaus zu vertreiben. Über die Berliner CDU, die Jahrzehnte den Regierenden Bürgermeister stellte, spricht kaum jemand. Viele bürgerliche Wähler glauben nicht, dass die Partei aus eigener Kraft zurück in den Senat findet. Und was jetzt - ein Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl - in Charlottenburg-Wilmersdorf passiert, ist ein Rückfall in tiefste West-Berliner Zeiten. Wieder einmal hat eine kleine Gruppe in schlechter Hinterzimmermanier die Wahlkreise und die Bezirksliste bestimmt. Dabei schien die Hauptstadt-Union eigentlich auf dem Weg der Besserung. Nach dem Machtkampf und der tiefen Krise hatte sich die neue Führung geläutert gezeigt. Die Politik der Hinterzimmer sollte endgültig vorbei sein. Die Machtspiele der Kreisvorsitzenden sollten ein Ende haben. Partei- und Fraktionschef Frank Henkel band die Kreischefs in Präsidium und Landesvorstand ein, holte neue Köpfe, wie den konservativen Vordenker Burkard Dregger und den Unternehmer Thomas Heilmann. Auch inhaltlich wurde gearbeitet. Die Partei beschloss ein neues, eher liberales Integrationskonzept, positionierte sich mit neuen Ideen zur Nachnutzung des Flughafens Tegel und zu Berlin als Metropole der E-Mobilität. Doch bisher fruchtet die Arbeit nicht. Die Umfragewerte sind schlecht. Die CDU stagniert hinter den Grünen und der SPD nur auf Rang drei. Sicherlich hat das auch mit dem Bundestrend zu tun. Aber einige Probleme sind hausgemacht. Es fehlt eine schillernde Figur, die im Wettstreit der Spitzenkandidaten Wowereit und Künast bestehen kann. Frank Henkel hat sich Meriten bei der Neuaufstellung der Partei verdient und ist beliebt in der CDU. Aber bei den Berlinern kommt er nicht an, auch wenn seine Parteifreunde immer seine Authentizität hervorheben. In Charlottenburg nun bricht für Henkel eine alte Baustelle wieder auf. Dort ging es erneut offensichtlich nicht darum, die besten Kandidaten aufzustellen - zum Beispiel im Wahlkreis des Regierenden Bürgermeisters. In Grunewald-Halensee soll nun nicht mehr der Unternehmer Peter Schwenkow antreten dürfen, der beim letzten Mal nur ganz knapp gegen Wowereit verloren hatte. Nein, man setzt auf einen politisch völlig unbekannten Rechtsanwalt. In Machtfragen wird auf Bezirksebene offenbar nicht strategisch gedacht. Wenn es um Posten geht, ist sich jeder Ortsvereins- und Kreisvorsitzende selbst der Nächste. Eine solche Politik schadet der Partei und beschädigt letztlich diejenigen, die den Neuanfang vorantreiben.

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