BERLINER MORGENPOST: Sanierungen sind nicht erwünscht Leitartikel von Matthias Wulff über die Verbote der Bezirke und welchen Preis wir für den Dirigismus zahlen müssen.
Berlin (ots)
Zumindest hat der Wahnsinn Methode. In Kreuzberg-Friedrichshain wurde vom Bezirksamt nun für einige Gebiete untersagt, Einbauküchen und Doppelhandwaschbecken einzubauen. Die Entscheidung passt zu dem Erlass aus Pankow vor ein paar Wochen. Dort ist der Einbau von Kaminen und Fußbodenheizungen und der Einbau eines zweiten Bades bei kleineren Wohnungen verboten. Auf diese Weise wollen die Bezirkspolitiker den Anstieg der Mieten eindämmen.
Das ist ein interessanter Wendepunkt für eine Gesellschaft, die eine Restidee von Marktwirtschaft mit sich herumträgt und in der es Konsens zu sein schien, dass Eigentum gehegt und gepflegt werden sollte. Nun drehen die Bezirke den Spieß um: Eigentum verpflichtet in Deutschlands Hauptstadt, nichts zu machen. Der Verdacht ist etwas populistisch, aber verführerisch naheliegend, dass hier Bürokraten die Wende rückwärts vollziehen und den sozialistischen Weg (weil er schon einmal so gut geklappt hat ... ) einschlagen. Der Staat mischt sich in die Gestaltung eines Badzimmers ein. Wie dreist ist das eigentlich?
Aber das ist ein wenig zu simpel, diese Linie entspricht nicht der Haltung des Senats, vor allem nicht der des Regierenden Bürgermeisters. Klaus Wowereit ist in spartanischen Verhältnissen aufgewachsen, daher fehlt ihm wohl der Hang, ärmliche Wohnverhältnisse zu romantisieren. Er wünscht sich explizit, dass in den Wohnstandard investiert wird, gerade damit Menschen mit mittlerem und gutem Einkommen in die Stadt kommen. Das ist erstrebenswert, will man nicht, dass Berlin auf Dauer Hochburg der Sozialleistungsempfänger bleibt.
Dass die Bezirke mit ihrem Vorschriftenkatalog Investoren abschrecken, nehmen sie billigend in Kauf. Klar, der Einbau eines Doppelwaschbeckens entscheidet nicht über den Kauf und die Sanierung einer Immobilie, aber die Symbolik dieser Entscheidung sollte man auch nicht unterschätzen. Hier in Berlin gibt es offensichtlich übergriffige, dirigistische Bürokraten, so ist die Außenwirkung, die ohne Bedenken in das Eigentum anderer eingreifen. Will man in so einer Stadt sein Geld lassen?
Ein Eindruck drängt sich auf, der bereits bei der Touristen-Diskussion eingetreten ist. Mag es für Bewohner einer jeden Metropole üblich sein, ein wenig abschätzig auf Ortsfremde herabzuschauen, so ist diese Ablehnung hier besonders ausgeprägt. Grob vereinfacht (aber nicht sehr grob), lebt Berlin vor allem von Touristen. Jedes Jahr kommen mehr und mehr Menschen in die Stadt und lassen ihr Geld hier. Man sollte sie eigentlich nett behandeln. Und es kommen auch Menschen, denen es so gut gefällt, dass sie gleich hierbleiben wollen und mit ihrem Geld Wohnungen und Häuser kaufen und sie hübsch machen wollen. Auch die sollte man nett behandeln.
Berlin ging es über Jahrzehnte nicht gut, beide Teile wurden von außen finanziert und aufgepäppelt. Das hat augenscheinlich die Mentalität geprägt: Private Investoren gelten als irgendwie verdächtig und sind im Grunde Spekulanten. An bescheidene Verhältnisse gewöhnt, wird jede Aufhübschung als Gentrifizierung gebrandmarkt. Auch ein Boom will gelernt sein, sonst ist er schnell Geschichte.
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