BERLINER MORGENPOST: Erzwungene Loyalität
Leitartikel von Kerstin Münstermann zum CDU-Parteitag
Berlin (ots)
Annegret Kramp-Karrenbauer hat gute Nerven. Die CDU-Chefin setzte am Freitag in Leipzig alles auf eine Karte. Sie wagte es, die Machtfrage ganz klar zu formulieren: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Sie fasste es so: Wenn ihr mir nicht folgt, dann schmeiße ich hin. Mit diesem Balanceakt schaffte sie es, nach Wochen der harschen innerparteilichen Kritik die Reihen zu schließen, die CDU hinter sich zu versammeln.
Die Partei war aufgeschreckt ob der vielen Schlagzeilen über interne Grabenkämpfe. Die aber beileibe nicht herbeigeschrieben wurden, wie es manch ein Redner auf dem Parteitag darstellen wollte.
Wohlgemerkt: Ohne Debatten und das Ringen um Themen geht es in Parteien nicht. Doch in der CDU ging es in den vergangenen Wochen vor allem um persönliche Eitelkeiten. Und da wird es meistens schmutzig. Die Presse ist nur das Ventil. Die Delegierten erwiesen sich als lernfähig: Wenn man sich nur mit sich selbst beschäftigt, verliert man die Wähler aus den Augen. Die SPD machte diesen eigenen Abstieg erfolgreich vor und kämpft um den Anspruch, eine Volkspartei zu sein.
Die Runde im CDU-Machtkampf ging jedenfalls klar an Kramp-Karrebauer. Ein über siebenminütiger Applaus und Standing Ovations waren Beweis genug, dass es ihr gelungen ist, die Partei von ihrer Führung zu überzeugen. Die Erleichterung sah man der Vorsitzenden danach an. Der Druck war riesig. Doch sie gewann: Das Rededuell fiel aus, Rivale Friedrich Merz verzichtete demonstrativ auf Attacken. "Wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden", ließ er sogar wissen. Hört, hört!
Doch Kramp-Karrenbauer hat viel Pulver verschossen. Die eigene Position in die Waagschale zu werfen, ist durchaus heikel. Denn wenn die Regierung hält, wird der Wahlparteitag 2020 bei der CDU in der Frage der Kanzlerkandidatur der entscheidende sein. Denn Merz wird - ähnlich dem Geist aus der Flasche - nicht wieder verschwinden. Er stellte sich am Freitag zwar klar hinter die Vorsitzende. Doch in den kurzen Ausführungen blitzte durchaus Kampfgeist auf, rhetorisch war Merz deutlich besser als in Hamburg im vergangenen Jahr. Er lauert und wartet ab. Er wird sich rufen lassen in einem Jahr, wenn es genügend Unterstützer gibt. Sein Pfund sind derzeit die Umfragen, die für ihn sprechen. Es bleiben Baustellen: Kramp-Karrenbauer muss künftig mehr liefern. Es braucht eine Strategie und nicht nur verschiedene einzelne Ideen.
Ihre Rede war routiniert, nach innen auf die Partei ausgerichtet. Doch der große Wurf, sozusagen die Agenda 2030, war die Leipziger Rede nicht. Annegret Kramp-Karrenbauer beschwor zwar die Grundlinien der CDU (christlich, sozial und konservativ). So weit, so gut. Richtig stark war die CDU-Chefin allerdings nur bei der Abgrenzung zum Koalitionspartner SPD. Hier war der Beifall der Partei besonders groß. Aber im Entwickeln des eigenen Profils blieb sie Konkretes schuldig.
Die CDU steuert auf eine zersetzende Debatte um die K-Frage zu, wenn es AKK nicht gelingen sollte, Merz inhaltlich zu stellen. Und ihn auch öffentlich eindrücklich aufzufordern, den Rand des Spielfelds zu verlassen und die Kärrnerarbeit in der Partei auf sich zu nehmen. Die Zeit des bloßen Burgfriedens ist vorbei. Denn Merz hat sich verzockt. Mit seiner Kritik der "grottenschlechten Regierung" hatte er sich nach der Thüringen-Wahl sehr weit vorgewagt.
Aber wie man es anders oder besser macht, diese Pläne hatte er auch in Leipzig nicht in der Tasche. Die CDU wird ihre Wunden noch eine Weile lecken. Das Ringen um den besten Politikansatz sollte sie dabei nicht aufgeben.
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