Ein Haus für den Dialog
Leitartikel von Felix Müller zum Humboldt Forum
Berlin (ots)
Kurzform: Die erste Sonderschau zur Kulturgeschichte des Elfenbeins lässt erkennen, dass die museale Auseinandersetzung mit den globalen Folgen des Kolonialismus nicht nur möglich, sondern auch intellektuell gewinnbringend ist. Das gilt auch für die Berlin-Ausstellung und die Präsentation der Humboldt-Universität, in der die Vernetzung der Hauptstadt und der Klimawandel thematisiert werden. Sie lenken den Blick auf das Humboldt Forum als "internationale Dialogplattform", wie es Generalintendant Hartmut Dorgerloh nennt. Ein spannender Anfang für ein Haus, das jede Chance verdient.
Der vollständige Leitartikel: Fast 20 Jahre nach dem Bundestagsbeschluss zur Rekonstruktion des Schlosses ist das Humboldt Forum in Berlins historischer Mitte eröffnet worden. Es ist ein Bau der Superlative, ohne Vergleich in der deutschen Kulturlandschaft: Kosten von mehr als 682 Millionen Euro, rund 9000 Kubikmeter Sandstein und 100.000 Kubikmeter Beton wurden verbaut, eine Ausstellungsfläche von 40.000 Quadratmetern, 2800 Schmuckelemente für die rekonstruierten Barockfassaden. Die Zahlenreihe ließe sich noch lange fortführen.
Obwohl die Entscheidung für das Schloss im Bundestag seinerzeit fast eine Zweidrittelmehrheit erreichte, wurde über das geplante Universalmuseum im Mantel der alten Hohenzollern-Residenz bis zuletzt engagiert gestritten. Die Gegner setzten die Rekonstruktion mit historischer Revision gleich und verdächtigten die Befürworter einer pompösen Preußenseligkeit. Umgekehrt hieß es, es liege kein überzeugender moderner Entwurf für den Ort vor, der nach der Sprengung des Schlosses 1950 und dem Abriss des Palastes der Republik 2006 bis 2008 zur offenen Wunde in der städtischen Landschaft geworden war. Seitdem die Fassaden fertiggestellt und die Bauzäune weitgehend entfernt worden sind, lässt sich erkennen, dass diese Wunde geheilt werden konnte. Die Sichtachse Unter den Linden in Richtung Alexanderplatz endet nicht mehr im Nirwana, sondern findet in der Außenhaut des Humboldt Forums einen städtebaulich einleuchtenden Abschluss. Wer sich auf die Stufen des Alten Museums stellt, wird erkennen, dass der Bau das Ensemble der Museumsinsel sinnvoll komplettiert.
Noch stellen sich viele Fragen angesichts der angrenzenden Areale: Bedarf es eines neuen Verkehrskonzeptes vor der dem Lustgarten zugewandten Nordseite, wo derzeit die stark befahrene B2 entlangführt? Was wird mit dem geplanten Flussbad mitsamt Freitreppe vor dem Eosanderportal, wie wird es sich mit dem Einheits- und Freiheitsdenkmal vertragen, der sogenannten Einheitswippe? Wird der Schloßplatz auf der Südseite mit dem Neptunbrunnen ausgestattet, der hier an seinen Ursprungsort zurückkehren würde? Was schließlich wird der Wettbewerb für die gegenüber der modernen Ostfassade geplanten Grünanlagen ergeben? Diese Probleme werden erst nach den Wahlen zu Bundestag und Abgeordnetenhaus gelöst werden können. Aber es ist jetzt schon deutlich geworden, dass es eine bessere städtebauliche Antwort auf diesen Ort seit vielen Jahrzehnten nicht gegeben hat.
Gestritten wurde auch über das inhaltliche Konzept des Hauses, lange bevor auch nur eine einzige Ausstellung aufgebaut worden war. Die Idee, mit den Beständen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst die Weltkulturen ins Berliner Zentrum zu holen, erschien vielen vor 20 Jahren noch als Ideallösung, gewissermaßen als Impfung gegen nationalistische Nabelschau. Es folgte eine notwendige und längst nicht abgeschlossene Debatte über die problematische Herkunftsgeschichte vieler Objekte, etwa der Benin-Bronzen, es gab substanzielle Fortschritte bei der Restitution.
Die erste Sonderschau zur Kulturgeschichte des Elfenbeins lässt erkennen, dass die museale Auseinandersetzung mit den globalen Folgen des Kolonialismus nicht nur möglich, sondern auch intellektuell gewinnbringend ist. Das gilt auch für die Berlin-Ausstellung und die Präsentation der Humboldt-Universität, in der die Vernetzung der Hauptstadt und der Klimawandel thematisiert werden. Sie lenken den Blick auf das Humboldt Forum als "internationale Dialogplattform", wie es Generalintendant Hartmut Dorgerloh nennt. Ein spannender Anfang für ein Haus, das jede Chance verdient.
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