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Was Frauenmörder eint/Zeit für einen Blick auf häusliche Gewalt in Deutschland/Ein Leitartikel von Birgitta Stauber

Berlin (ots)

Dieser Fall ist besonders krass. Da zieht ein Mann mit Machete und Brandbeschleuniger einen Rachefeldzug durch gegen alle, die seine Ex-Frau unterstützen. In ihrer Verzweiflung halten die attackierten Opfer Kleinkinder aus dem Fenster, um sie vor den Flammen zu retten. Zwei Kinder geraten in Lebensgefahr.

Die Ex-Frau hatte sich vom mutmaßlichen Täter wegen häuslicher Gewalt getrennt, Zuflucht in einem Frauenhaus gesucht und sich dann wohl auch mit einem neuen Partner ein Leben ohne den Ex-Mann aufgebaut. Und dieses neue Leben konnte er nicht ertragen.

Rache nach verletzter Ehre: So nennen Ermittler das Motiv des Esseners, der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist. Außerdem soll er psychische Probleme haben. Straftaten im Namen der Ehre, allen voran sogenannte Ehrenmorde, werden vor allem im türkisch-arabischen Kulturkreis verortet. Dabei geht es um die Ehre der gesamten Familie, um ihr Ansehen in der Gesellschaft.Opfer sind größtenteils Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben wollen. Opfer sind aber auch Männer wie jetzt beim spektakulären Fall aus Essen: weil sie eine Beziehung mit der Frau eingegangen sind, die für einen anderen bestimmt war.

Es ist allerdings ein Trugschluss zu glauben, Gewalt gegen Frauen aufgrund eines verletzten Ehrgefühls komme im deutschen Kulturkreis nicht vor. Das Delikt wird nur anders genannt, firmiert unter dem sehr allgemeinen Deckmantel der "häuslichen Gewalt". Kommt es zum Äußersten, also werden Frau und/oder Kinder getötet, nennt sich das "Familiendrama". Was wie ein Theaterstück klingt, ist im realen Leben ein Mord aus Rache. Ebenso wie beim Syrer aus Essen steckt dahinter der Gedanke: Ich habe Macht und Kontrolle. Mich verlässt keine Frau.

Männer, Väter, die es nicht ertragen, dass sich ihre Frau von ihnen trennt, und die dann durchdrehen: Dieses Phänomen ist kulturübergreifend. Allerdings ist nicht wegzureden, dass in Gesellschaften, in denen die Frauenrechte massiv beeinträchtigt sind, es häufiger zu Mord und Gewalt im Namen der Ehre kommt - und das wirkt sich auch in Deutschland aus.

So zeigt die Polizeistatistik des vergangenen Jahres: Von den 347 Todesopfern innerfamiliärer Gewalt war fast jedes dritte Opfer nicht deutsch. Und davon wiederum viele aus der Türkei, Syrien, Afghanistan - aus patriarchalisch geprägten Ländern, in denen die gesellschaftliche Ehre eine besondere Rolle spielt. Eine gescheiterte Ehe kann da großen Druck ausüben.

Der beste Schutz für Frauen ist daher eine auf Gleichberechtigung beruhende Gesellschaft. Verglichen mit islamischen Ländern steht Deutschland da sicher gut da. Aber der statistische Blick ins Inland zeigt auch: Fälle von Hass und Gewalt gegenüber Frauen steigen seit Jahren stetig an. Schließlich kamen allein im Jahr 2023 zu den 347 Todesopfern noch mehr als 10.000 schwere Körperverletzungen, etliche sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen, Nötigungen, Bedrohungen, Stalking. Die Dunkelziffer ist nach Schätzungen um ein Zehnfaches höher.

Die Täter, auch das zeigt die Statistik, verteilen sich auf alle deutschen und mi­grantischen Milieus. Expertinnen und Experten - wie die Anwältin Christina Clemm, die seit Jahrzehnten Frauen in Not vertritt - sehen Frauenhass und Antifeminismus obendrein als identitätsverbindendes Phänomen unter Rechtsextremisten. Was sie alle antreibt, ob es nun um die Familie geht oder die Stellung in der Gesellschaft: Machterhalt, Stolz, Kontrolle. Und vor allem die sogenannte Ehre.

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