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Berliner Morgenpost: Handelskrieg schadet allen
Leitartikel von Christian Kerl zu Strafzöllen auf E-Autos aus China

Berlin (ots)

Das ist schon wieder eine schlechte Nachricht für die deutsche Autoindustrie. Die EU macht Ernst im Handelskonflikt mit China und will in Kürze üppige Strafzölle auf Elektroautos aus der Volksrepublik erheben. In der Theorie sollen die Zölle die europäischen Autobauer vor unfairer Konkurrenz schützen. In der Praxis könnten sie ihnen massiv schaden, vor allem den Unternehmen in Deutschland.

Erstens ist die Sache nicht so eindeutig, wie Brüssel suggeriert. Der Erfolg von Chinas E-Auto-Offensive hat auch mit verdienten Wettbewerbsvorteilen zu tun, mit starken Lieferketten, eigener Batterieherstellung, geringeren Lohn- und Energiekosten. Die heimischen Hersteller haben sich dagegen zu lange auf dem Geschäftserfolg mit Verbrenner-Autos ausgeruht und nun zu wenig günstige E-Auto-Modelle im Angebot.

Zweitens gehört zu den absurden Folgen, dass die Zölle auch Fahrzeuge deutscher Hersteller, die sie im Reich der Mitte für den europäischen Markt produzieren, hierzulande verteuern - ein Rückschlag für den Klimaschutz.

Drittens: Im drohenden Handelskrieg sind die deutschen Autobauer mit ihrem bislang starken China-Geschäft besonders verletzlich. Es ist zu befürchten, dass die Volksrepublik nun ihrerseits die Daumenschrauben anzieht - auf ihrem Markt, auf dem die deutsche Industrie jetzt ohnehin zu kämpfen hat. Ein Spiel mit dem Feuer: Ein solcher Handelskonflikt kennt nur Verlierer. Zu Recht fordert Kanzler Olaf Scholz eine Verhandlungslösung. Er weiß, dass die Exportnation Deutschland besonders auf offenen Welthandel angewiesen ist. Die chinesische Konkurrenz wird die Importabgaben sowieso schnell umgehen können, weil sie bald auch in Autofabriken in Europa produziert.

Diesem Wettbewerb muss sich die deutsche Industrie stellen. Ihr zentrales Problem liegt - neben eigenen Versäumnissen bei der Produktpalette - in Standortnachteilen: teure Energie, zu viel Bürokratie, schlechte Infrastruktur, hohe Arbeitskosten, lahmender Ausbau von Ladesäulen und ein fehlendes Förderkonzept für E-Autos. Als extremer Belastungstest erweist sich nun auch die Politik von EU-Kommissionschefin von der Leyen, die konsequent alle Warnungen aus Deutschland ignoriert. Nicht nur bei den Strafzöllen: Die verschärften Flottengrenzwerte ab 2025 sind für die Industrie kaum erreichbar, weil der E-Autoabsatz stockt. Doch die Kommission weigert sich, die Vorgaben noch einmal zu überprüfen.

Zusätzlich betreibt sie ein Verwirrspiel um das Verbrenner-Verbot. Erst sollte es umfassend ab 2035 gelten. Nun deutet von der Leyen auf Druck ihrer Partei eine Korrektur an, will aber erst in ein paar Jahren klären, was stattdessen künftig gelten soll. Ergebnis: Maximale Unsicherheit für Industrie und Verbraucher - weil der Verbrenner angeblich doch eine Zukunft hat, bricht der Absatz bei den E-Autos ein.

Weiß die EU-Kommission eigentlich, was auf dem Spiel steht? Es geht um die Zukunft der wichtigsten Industrie Deutschlands. Die Branche hat noch immer das Potenzial, die weltweite Konkurrenz abzuhängen, aber sie steht durch den Umstieg auf die E-Mobilität unter enormem Druck. Die Ignoranz, mit der Brüssel den Unternehmen fortwährend Knüppel zwischen die Räder wirft, ist deshalb gefährlich. Statt die Autobauer jetzt auch noch für politische Machtdemonstrationen gegenüber China zu benutzen und einen Handelskrieg zu riskieren, muss die EU-Kommission alles tun, um doch noch kurzfristig eine Verhandlungslösung zu erreichen.

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