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Technische Universität Darmstadt

Weiche Materie an Grenzflächen: Schwellen und Schrumpfen auf Knopfdruck

Im Fachmagazin „Advanced Science“ beschreiben Forschende der TU Darmstadt, wie Ultraschall auf weiche Materie wirkt. Daraus ergeben sich neue medizinische und industrielle Anwendungen.

In der medizinischen Diagnostik und vielen anderen technischen Anwendungen spielt Ultraschall längst eine wichtige Rolle. Doch das Potenzial der für uns nicht hörbaren Schallwellen ist noch nicht ausgereizt. Im Fachmagazin „Advanced Science“ deutet ein Team um Amin Rahimzadeh und Sebastian Stock, beide Postdoktoranden im Fachbereich Physik der TU Darmstadt, nun weitere Einsatzmöglichkeiten an.

Die TU-Forschenden beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen zwischen weicher Materie und Ultraschall. Weiche Materie ist in diesem Fall der Kunststoff PNIPAM (Poly-N-Isopropylacrylamid) in Form von winzigen Kügelchen. Diese quellen in Wasser zu glibberigen Mikrogel-Perlen mit einem Durchmesser von nur rund einem Tausendstel Millimeter. Der Clou: Unter Einwirkung von Ultraschall geben die Kügelchen das in ihrem Innern gebundene Wasser wieder ab und schrumpfen. Wird der Ultraschall ausgeschaltet, nehmen sie erneut Wasser auf.

Das reversible Schrumpfen durch Ultraschall haben Rahimzadeh und Stock schon vor einigen Jahren entdeckt. In „Advanced Science“ stellen sie nun zusammen mit TU-Physikprofessorin Regine von Klitzing und der Arbeitsgruppe von Mario Kupnik, Professor im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik, einen weiteren interessanten Aspekt vor. „PNIPAM ist amphiphil, also sowohl wasser- als auch fettliebend“, erklärt Rahimzadeh. In einem Öl-Wasser-Gemisch wandern die Kügelchen daher an die Grenzfläche zwischen den beiden Flüssigkeiten und reduzieren so die Grenzflächenspannung. Infolgedessen mischen sich Öl und Wasser besser. In ihrer aktuellen Studie stellten die Forschenden fest, dass Ultraschall die Kügelchen nicht nur schrumpfen lässt, sondern auch ihre Anlagerung an die Öl-Wasser-Grenzfläche beschleunigt. Beide Effekte zusammen verringern die Grenzflächenspannung erheblich. Das dürfte für viele industrielle Prozesse interessant sein, denn Substanzen wie Wasser und Öl ließen sich mit PNIPAM-Perlen via Ultraschall mischen. Außerdem kann das Mikrogel nicht nur Wasser einlagern und quasi auf Knopfdruck wieder abgeben, sondern auch katalytisch oder pharmazeutisch aktive Substanzen.

Besonders vielversprechend sei der Einsatz der Mikrogel-Perlen als Wirkstofftransporter in der Medizin, sagt Rahimzadeh: „Unter Einwirkung von Ultraschall könnten sie ihre Fracht gezielt an Zellmembranen und anderen Grenzflächen in unserem Körper freisetzen.“ Bis zur praktischen Anwendung werde aber noch einige Zeit vergehen, da für solche Zwecke umfangreiche Sicherheitsprüfungen und Zulassungsverfahren nötig seien. Es geht den Forschenden um Rahimzadeh und Stock ohnehin nicht vorrangig um neue Systeme für die Wirkstoffabgabe. Vielmehr möchten sie im Detail verstehen, wie Ultraschallwellen mit weichen Partikeln interagieren. Damit erschließen sie ein Gebiet, das noch weitgehend unerforscht ist.

https://doi.org/10.1002/advs.202305395

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