Unterwasserarchäologe Mensun Bound und die Suche nach der „Endurance“: „Die größte Herausforderung, der ich mich je gestellt habe“
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Im Gespräch mit Mensun Bound, Unterwasserarchäologe und Experte in „History's Greatest Mysteries“ (ab 4. April als deutsche TV-Premiere auf The HISTORY Channel)
Herr Bound, Sie sind darauf spezialisiert, Schiffswracks zu erkunden und auszugraben. Wie kam es dazu?
Mensun Bound: Schiffe und das Meer haben mich schon immer fasziniert. Ich wuchs auf den Falklandinseln auf, wo sich damals, in den 1950er-Jahren, im Hafen von Port Stanley das schönste Freilichtmuseum über die Schifffahrt des 19. Jahrhunderts der Welt befand. Wenn ich morgens die Vorhänge an meinem Fenster aufzog, sah ich alte Segelboote, die am Kap Hoorn zerschellt waren. Über ihre Schiffsrümpfe zu klettern, legte den Grundstein meiner Faszination. Während meiner Universitätszeit begann ich schließlich, mit einem amerikanischen Archäologie-Team in der Türkei zu arbeiten, wo ich römische Schiffswracks erforschte.
Bei Ihren Forschungen wird es sicher zahlreiche Funde gegeben haben, die Sie besonders beeindruckt haben. Welche waren das zum Beispiel?
Mensun Bound: Unter den wahrscheinlich aufregendsten Entdeckungen ist für mich eine Eisenkanone aus dem Wrack von Lord Nelsons Schiff Agamemnon, die in der Nähe von Punta del Este in Uruguay verloren ging. Ich hatte gelesen, dass die Marine, als sie die schwere Artillerie des Schiffes zu retten versuchte, eine der Kanonen zwischen dem Fundort des Wracks und einer nahegelegenen Insel namens Gorriti abgeworfen hatte. Ich war sicher, dass sie dort noch zu finden war. Ihre Bedeutung? Alle Kanonen waren nummeriert, und anhand dieser Zahlen konnte ich nachweisen, dass es sich hier um die einzige Waffe handelte, die nachweislich in der Schlacht von Trafalgar abgefeuert wurde, dem größten Sieg auf See in der Geschichte der britischen Marine.
Was war Ihre liebste Ausgrabung?
Mensun Bound: Das ist einfach. Das Gigio-Wrack, ca. 600 v. Chr. So genannt nach der toskanischen Insel, vor der es gefunden wurde. Es war meine erste große Grabung. Ein Wrack voller griechischer bemalter Keramik, Waffen, Werkzeuge, Schreibtafeln, Bernstein, Musikinstrumenten, Amphoren voller Oliven (deren Kerne die Zeit überdauerten) und Wein. Die gesamte oberste Etage des italienischen Unterwassermuseums in Porto Santo Stefano ist mit den Funden aus dem Giglio-Wrack gefüllt. Aber das, was mir an dieser Ausstellung am besten gefällt, sind nicht die Artefakte, sondern ein großes Foto an der Wand. Es zeigt meine damalige Freundin Joanna, seit 40 Jahren meine wundervolle Ehefrau. Giglio ist ein bedeutender Teil unseres Lebens geblieben.
Gibt es etwas, das Sie nach zahlreichen Forschungsreisen bedauern?
Mensun Bound: Die offensichtliche Antwort wäre, die Endurance nicht gefunden zu haben, doch wenn ich zurückblicke, ist das einzige klaffende Loch in meinem Leben ein griechischer Helm, der schönste Helm aus der Antike, den ich je gesehen habe. Er wurde 1961 von einem deutschen Sporttaucher in dem Giglio-Wrack gefunden und von ihm mit nach Hause genommen, als er die Insel verließ. 1983 hatten meine Frau und ich das Stück bis hin zu einem Mann aus Hamburg zurückverfolgen können, der es freundlicherweise für uns aus seinem Bankdepot nahm. Er ließ uns fotografieren und technische Zeichnungen anfertigen. Er war sich jedoch des kommerziellen Wertes bewusst und wollte für seine Entdeckung entschädigt werden. Er starb später, und seitdem ist der Helm verschwunden. Eines Tages wird er wieder auftauchen. Ich hoffe nur, dass ich lange genug lebe, um zu sehen, wie das Stück nach Italien zurückkehrt, damit es inmitten all der Funde, die wir aus diesem beeindruckenden Wrack geborgen haben, seinen angestammten Platz einnehmen kann.
Was ging bei der Suche nach der Endurance schief?
Mensun Bound: Die Suche nach der Endurance war die größte Herausforderung, der ich mich je gestellt habe. Sie liegt 3000 Meter unter ständigem Packeis im Zentrum des Weddellmeer-Gyrus, der feindlichsten und unzugänglichsten Ecke der Welt, die man sich denken kann, und in der das Eis zwischen 2,5 und 9 Meter dick sein kann. Immer wieder umzog es unser Schiff, und wie einst die Endurance blieben wir darin stecken. Aber im Gegensatz zur Endurance war unser Schiff, die Aghullhas 2, ein großer moderner Eisbrecher, und jedes Mal, wenn wir feststeckten, konnten wir uns am Ende des Tages doch einen Weg hinausbahnen. Ein paar Mal war es dennoch eine knappe Angelegenheit. Es gelang uns schließlich, unseren Weg in das Gebiet zu bahnen, in dem die Endurance unterging, und wir konnten ein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV) in die Tiefe lassen, das die eigentliche Suche nach dem Wrack durchführen sollte. Die 42-stündige Mission verlief gut, bis das AUV an einem der geplanten Treffpunkte für eine Systemüberprüfung einfach nicht auftauchte. Wir sind uns nicht sicher, was da schiefgelaufen ist, es gibt eine Reihe möglicher Szenarien. Das Antriebssystem könnte ausgefallen sein, es könnte seine Mission abgebrochen und versucht haben, unter dem Eis aufzutauchen, oder es könnte in den Drift-Modus gegangen sein, in welchem Fall es einfach vom Strom weggetragen worden wäre. Eines Tages wird das Gerät gefunden werden, aber bis dahin wissen wir nicht genau, was passiert ist.
Welche Bedeutung hat es für Sie, die Endurance zu finden?
Mensun Bound: Aus archäologischer Sicht kann ich nicht so tun, als würde die Entdeckung der Endurance uns viel verraten, was wir noch nicht wissen. Doch ganz gewiss würde sie die möglicherweise größte Fluchtgeschichte in der Geschichte der Menschheit in neues Licht stellen. Nachdem sie damals die lange Polarnacht im Eis verbracht hatte, wurde das Schiff im Frühjahr vom Packeis zerdrückt, so dass die 28 Männer an Bord nur noch Eisschollen als Boden unter den Füßen hatten. Schließlich unternahmen sie mit ihren drei Rettungsbooten eine brutale Überfahrt nach Elephant Island, eine Insel, die sie halb erfroren erreichten. Shackleton machte sich alsdann in einem der Boote, der James Caird, auf den Weg, in einer zweiwöchigen, sturmgepeitschten Überfahrt zur Insel Südgeorgien, um Hilfe zu holen. Dort angekommen mussten er und zwei weitere Männer eine Bergkette überqueren, um eine Walfangstation auf der anderen Seite der Insel zu erreichen. Am Ende überlebten sie alle. Es ist eine Geschichte von inspirierender Führungskraft, rohem Mut und der unbezwingbaren Entschlossenheit des Menschen, Widrigkeiten zu überwinden und stets darauf zu drängen, seine Grenzen zu erweitern.
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