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WAZ: Was vom EU-Gipfel bleibt: Unter der dunklen Wolke - Leitartikel von Knut Pries
Essen (ots)
Zwei Entscheidungen des EU-Gipfels verdienen uneingeschränktes Lob. Der "freie und unverfälschte Wettbewerb" rangiert nicht mehr gleichrangig neben Werten wie Frieden, Freiheit, Sicherheit, Vollbeschäftigung, Solidarität, Umweltqualität und kulturelle Vielfalt als eines der Ziele der Union. Recht so. Wettbewerb ist ein vernünftiges Prinzip. Er ist aber nicht Zweck, sondern Mittel - eine humane Einsicht. Und: Es gab kein Abschiedsgeschenk für den Briten Blair. Das ist nicht sehr stilvoll, aber angemessen. Blair hat sein Versprechen, das Königreich "im Herzen Europas" anzusiedeln, nicht wahrgemacht. Es ist immer noch mehr Störenfried als treibende Kraft.
Davon abgesehen ist das Bild sehr gemischt. Zwar bekommt die Union mit dem "Reform-Vertrag" eine brauchbarere Geschäftsordnung. Doch die fällt weit hinter das zurück, was mit der Verfassung möglich gewesen wäre. Von ihr blieb ein seelenloses Sammelsurium geänderter Paragrafen. Die Verheißung, das europäische Grundrecht für alle verständlich und plausibel zu machen, blieb auf der Strecke.
In der Summe ist die Bilanz dennoch positiv. Angela Merkel hat einem Kollegium aus national-populistisch agierenden, bäng-lichen oder vernunftfernen Führungskräften eine Einigung abgetrotzt. Gegenüber dem Nizza-Vertrag bringt diese klare Verbesserungen: Die Union wird ein eigenständiger Akteur auf der internationalen Bühne, das Parlament kann seine Kontrollfunktion in Bereichen ausüben, die bisher Kungel-Domäne der Regierungen waren.
Die Mängel sind freilich massiv und hässlich: "Gemeinsame" Grundrechte, auf die sich in Großbritannien keiner berufen kann, komplizierte Ausnahmen und Verfahren, eine Verschiebung der vereinfachten und demokratischeren Abstimmungsregel und vor allem der prinzipielle Verzicht auf den Qualitätssprung zur Verfassung. Deren Freunde sind seit den gescheiterten Referen-den in Frankreich und den Niederlanden aus der Defensive nie herausgekommen.
Das Gesetz des Handelns diktierten die Bedenkenträger. Die Erfahrung spricht aber dafür, dass die Befürworter einer weiteren Integration am Ende mehr Hebel zur Beförderung ihrer Sache in der Hand haben, als den Kaczynskis, Blairs und Balkenendes lieb sein kann. Was daraus wird, hängt davon ab, ob der fatale Trend umgekehrt werden kann, nationale Interessen als das zu definieren, was man "Europa" abhandelt. Dieser Ungeist hat in Brüssel die Einigung letztlich nicht verhindert. Als dunkle Wolke wabert er weiter über Europa.
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