Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Sechsfacher Mord in Duisburg Die Mafia ist nahe - Leitartikel von Stefan Wette
Essen (ots)
Den Mafia-Paten von Mario Puzo kennen wir, sicher. Und aus Filmen und Büchern informieren wir uns über den islamistischen Terrorismus. Dass Militär- und Polizeieinsätze im Ausland gefährlich sind, auch das wissen wir. Dennoch führen uns erst Tage wie dieser vor Augen, wie nah uns das eiskalte, lang vorbereitete und feige ausgeführte Verbrechen ist. Ein Verbrechen, das seine Opfer wahllos bestimmt. Ein Zufall, wie viele es im Einzelfall mordet: Zwischen 200 und 500 Tote im Irak, drei getötete deutsche Polizisten in Afghanistan und sechs "hingerichtete" Italiener in Duisburg.
Deutschland ist keine Insel. Durch internationale Verpflichtungen und Verflechtungen werden solch blutige Tage uns immer wieder zeigen, auf welchem Pulverfass der Mensch lebt. Doch im Gegensatz zu den Anschlägen im Ausland gibt der sechsfache Duisburger Mord konkret Anlass, darüber nachzudenken, ob er hätte verhindert werden können. Die Kripo in der Ruhrstadt hat ja Recht, dass nach allen Seiten ermittelt werden muss, dass ein Mafia-Hintergrund Spekulation ist und durchaus auch eine Beziehungstat das Motiv darstellen könnte.
Aber es gibt zu denken, dass die italienische Polizei schon wenige Stunden nach den Morden mit Details zu den Opfern aufwarten kann. Offenbar wusste die örtliche deutsche Polizei nichts davon, dass in ihrer Stadt Italiener in einem Restaurant am Bahnhof arbeiten, die für die italienische Polizei im Zentrum von Mordermittlungen stehen. Nicht irgendwelcher Ermittlungen: Von einem Mafiakrieg der kalabresischen 'Ndrangheta ist die Rede, von verfeindeten Familienclans. Eher nebenbei hört man, dass Duisburg auch nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes ein örtlicher Schwerpunkt der 'Ndrangheta in Deutschland ist.
Zugegeben: Um italienische Banden war es still geworden. Die Polizei hatte in den letzten Jahren viel zu tun mit anderen Ablegern der organisierten Kriminalität. Dass aber die 'Ndrangheta Deutschland als "Schläfer"-Basis nutzt, zeigte zuletzt der Fall des 1998 festgenommenen und in Mülheim aufgewachsenen Giorgio Basile, der dort in den 80er Jahren eine Pizzeria und die Diskothek "Flair" betrieb. 30 Mafia-Morde gehen auf sein Konto. Auch sein Fall hätte Anlass sein können, die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden anderer europäischer Länder zu verbessern.
Europa wächst zusammen, die Grenzen sind offen. Die Verbrecher wissen das längst und nutzen es. Die Politik sollte dafür sorgen, dass Polizei und Justiz in der Lage sind, ihnen auf der Spur zu bleiben.
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