Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Volkswagen: Eine Wende in Richtung Zukunft - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Das VW-Gesetz ist tot, es lebe VW. Auch wenn es die Oberen bei der IG Metall in Hannover noch nicht so sehen: Der Europäische Gerichtshof hat Europas größtem Autobauer und seinen Beschäftigten einen großen Gefallen getan.
Hinter dem Schutzwall, den das VW-Gesetz mit dem Veto-Recht des Landes Niedersachsen um den Wolfsburger Konzern gezogen hat, haben sich allerhand Absonderlichkeiten entwickelt. Volkswagen wurde zu einem arbeitsmarktpolitischen Experimentierfeld, zu einem Biotop, in dem SPD-geführte Landesregierungen im Zusammenspiel mit der IG Metall wahre Wunder versprachen - und zeitweise vollbrachten.
Einige Jahre war es hübsch anzusehen: In den Einfahrten der Wolfsburger Reihenhäuser standen neue Passats und Golfs, hinten im Garten mähten sie am Freitagvormittag den Rasen. Zeit genug dafür war bei einer 28,8-Stunden-Woche. Die Arbeitszeitverkürzung ist mit dem Namen des Personaldirektors Peter Hartz verbunden und gilt als einer der größeren Fehler im Konzern. Weil die Löhne weit weniger sanken als die Arbeitszeit, zahlte VW im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr als in der Branche üblich. Da kein Unternehmen ein Paradies ist, war es eine Frage der Zeit, bis sich das rächt. Volkswagen verbrannte einige Jahre lang mit jedem Golf gutes Geld. Es war auch keine große Überraschung, dass ausgerechnet in jenem Unternehmen, in dem die Interessen von Gewerkschaftern und Politikern größeres Gewicht hatten als die der Kapitalgeber, Rotlicht nicht allein von Fußgängerampeln schien.
Jetzt hat Porsche das Sagen, ein Clan übernimmt die Macht. Auch hieran gibt es allerhand auszusetzen: Ferdinand Piëch und Familie gehören an die 50 Prozent von Porsche, zugleich sitzt er als Aufsichtsratschef bei VW am Steuer, ihm gehört in Salzburg die VW-Vertriebsgesellschaft für Österreich - Interessenkollisionen liegen da auf der Hand. Andererseits kann VW froh sein, mit den Porsches und Piëchs einen verlässlichen Großaktionär zu haben. Der Aktienkurs hat sich seit dem Porsche-Einstieg vor zwei Jahren vervielfacht. Die Löhne liegen nur noch fünf bis zehn Prozent über denen der Wettbewerber, Porsche und Volkswagen passen zusammen: Hier der Sportwagenbauer als Spezialist, dort der Konzern mit einer mächtigen Entwicklungsmaschine.
Porsche wird das Tempo anziehen, Auseinandersetzungen mit Niedersachsens Metallern gibt es schon zuhauf. Eine Wende, gewiss, aber eine in Richtung Zukunft.
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