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WAZ: Sanierungsbedürftige Bäder Untergegangene Bäderkultur - Leitartikel von Martin Tochtrop

Essen (ots)

Wer öffentliche Armut besonders drastisch erleben
möchte, sollte sich den Besuch eines alten städtischen Schwimmbades 
gönnen. Da tröpfelt und müffelt es gewaltig. Das Ambiente in 30, 40 
oder 50 Jahre alten Bädern lockt nur noch die hartgesottenen 
Schwimmer. Oftmals Rentner, die ihr altes Bad nicht missen möchten. 
Längst macht die Abrissbirne solch gruseligen Gemäuern den Garaus 
oder es wird kräftig saniert - für viel Geld.
Kinder und Jugendliche meiden triste Schwimmstätten in ihrer 
Freizeit. Allenfalls im Schulsport kommen sie noch in Kontakt mit den
Monumenten längst untergegangener Bäderkultur, in der Plantschen 
verpönt und diszipliniertes Schwimmen in geordneten Bahnen angeordnet
war. Das lässt sich nachvollziehen, hat aber Schattenseiten. 
Finanziell gebeutelte Städte machen aus der Not eine Tugend. 
Angesichts sinkender Besucherzahlen in den - sagen wir mal 
euphemistisch - "klassischen Bädern" lassen sie hier das Wasser aus 
den Becken und sparen Geld. An gleicher oder anderer Stelle rücken 
Bagger an, um Spaßbäder auszuschachten, die die Verluste in Grenzen 
halten sollen. Denn in Erlebnisbädern kann kräftig Eintritt verlangt 
werden, die Zuschüsse sinken und beschränken sich oftmals nur noch 
auf den Schulsport.
Privatisiert, in städtischen Eigenbetrieben oder an private 
Betreiber vermietet, halten sich moderne Wellnesstempel mal gut, mal 
mehr recht als schlecht über Wasser. Das ist je nach Konzept 
unterschiedlich. Was aber im Zuge dieses Geschäfts untergeht, ist der
Schwimmsport. Erstens, weil es immer weniger reine Schwimmbecken gibt
und zweitens auf Grund stark gestiegener Eintrittspreise. So zahlt 
ein Schüler im noblen Oer-Erkenschwicker Maritimo 50 Prozent mehr als
im Bochumer Stadtbad. Sicherlich zu Recht erhebt die DLRG den 
Zeigefinger, warnt vor einer Vernachlässigung des Schwimmvermögens in
der Bevölkerung.
Schwimmen gehört zu den Grundfähigkeiten. Entsprechend sind hier
Kommunen, aber auch Schulen und Eltern in der Pflicht. Dass jetzt 
aber ausgerechnet ein deutsches Kreditinstitut auf die Missstände 
hinweist, sollte mit einem skeptischen Blick auf die wirtschaftlichen
Interessen der Dresdner Bank betrachtet werden. Diese wirbt nämlich 
für Wasserimmobilienfonds als gute Kapitalanlage. Auch müssen Städte 
wie Duisburg nicht unbedingt über ein ganzes Dutzend an öffentlichen 
Bädern verfügen. Wenn man hier die Spreu vom Weizen trennt - und in 
den Weizen investiert -, kann weniger auch mehr sein.

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Telefon: 0201 / 804-2727
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