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WAZ: Vor den Landtagswahlen - Deutschland schaut auf Hessen - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Es ist an der Zeit, dem hessischen
CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und seiner SPD-Herausforderin 
Andrea Ypsilanti Respekt zu zollen. Sie haben geschafft, woran viele 
Landeschefs bislang gescheitert sind: Sie haben einen verbissenen 
Wahlkampf geführt, sie haben polarisiert und polemisiert - kurz: Sie 
haben Appetit gemacht auf den Wahlgang. Das ist keineswegs 
selbstverständlich.
In punkto Öffentlichkeits-Wirksamkeit ist Christian Wulff, 
zumindest außerhalb Niedersachsens, der Leidtragende. Die Repu-blik 
schaut auf Hessen. Das wird dem smart-moderaten Osnabrücker, der in 
Hannover regiert, allerdings ganz recht sein. Erstens gibt Wulff 
ohnehin lieber den Versöhner als den Spalter. Zweitens stellen sich 
mit Koch und Wulff auch zwei poten-zielle CDU-Kronprinzen den 
Wählern: Den eigenen Heimsieg vorausgesetzt, würde Wulff im internen 
Unions-Machtkampf von einer Koch-Niederlage durchaus profitieren. 
Zumal sich in diesem Fall Merkels Mitgefühl für Koch in Grenzen 
halten dürfte, weil er es war, der 2002 Stoiber statt Merkel als 
Kanzlerkandidaten durchgesetzt hat.
Sollte Roland Koch verlieren - er allein wäre dafür 
verantwortlich. Die hessische Spendenaffäre im Jahr 2000 hat ihn zwar
reichlich Sympathien gekostet. Aber Koch ist kein Rassist. Im 
Gegenteil. Der gelernte Rechtsanwalt hat für die Modernisierung 
seiner Partei gestritten, er hat sich für die Integration von 
Ausländern stark gemacht. Und selbst die Tatsache, dass er die 
steigenden Kriminalitätsraten bei Jugendlichen thematisiert hat, ist 
per se kein Grund, über ihn herzufallen. Aber Koch selber hat's 
versaut. Indem er polizeiliche und justizielle Versäumnisse im 
eigenen Land verschwieg, indem er holzschnittartig argumentierte und 
sich missverständlich über mögliche Gefängnisstrafen für Kinder unter
14 Jahren äußerte. Dass sich die Oppositionparteien brutalstmöglich 
auf derartige Eskapaden stürzen - wer will es ihnen verübeln?
Die Hessen entscheiden nicht nur über ihre Landesführung. Sie 
stimmen auch über die Frage ab, welcher Wahlkampf-Stil erfolgreich 
ist und mit welchen Themen die Parteien punkten können.
Natürlich beeinflusst der Ausgang der beiden Landtagswahlen auch 
die Lage in Berlin - dabei geht es weniger um Macht als um Stimmung. 
Die Große Koalition wird allein deswegen halten, weil derzeit weder 
SPD noch CDU ein Interesse an vorgezogenen Neuwahlen haben. Aber es 
wird Sieger und Verlierer geben - und das wird das Reizklima in 
Berlin verschärfen.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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