Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Debatte um Afghanistan-Mission Deutschland ist nicht Lettland - Leitartikel von Gerd Niewerth

Essen (ots)

Die Nato steckt im siebten Jahr ihrer
Afghanistan-Mission in einer prekären Situation. Obwohl mittlerweile 
mehr als 40 000 Soldaten am Hindukusch stehen, ist ein erfolgreiches 
Ende des umstrittenen Isaf-Einsatzes gegen die wieder erstarkten 
Taliban nicht in Sicht.
Mit der viel beschworenen Harmonie im Bündnis scheint es nicht 
weit her zu sein. Dies belegen die nervösen kanadischen Drohungen, 
Afghanistan vorzeitig zu verlassen, sowie der Brandbrief von 
Pentagon-Chef Robert Gates, der die Deutschen wegen ihrer Weigerung, 
die Bundeswehr in den gefährlichen Süden zu schicken, ungewöhnlich 
schroff ins Visier nimmt. Dass Wut und Frust Gates' Feder geführt 
haben, bringt die Sache freilich wenig voran. Im Gegenteil: Der Brief
dürfte vielmehr zu einer weiteren Verhärtung in Berlin führen.
Dabei haben die Alliierten im Grunde Recht, wenn sie Deutschlands
krampfhaftes Verharren im relativ sicheren Norden tadeln. Auch wenn 
die zivile Wiederaufbauleistung der Bundeswehr in Kundus und 
Mazar-i-Sharif vorbildlich ist, läuft Berlin Gefahr, sich im Bündnis 
zu isolieren. Im allerschlimmsten Fall droht sogar der Bruch der 
Allianz, sollte die Afghanistan-Mission scheitern. Eine düstere 
Vision, die die Bundesregierung in argen Erklärungsnotstand bringen 
würde.
Was die Alliierten im Brüsseler Hauptquartier zu Recht auf die 
Palme bringt, ist der merkwürdige deutsche Politikstil. Anstatt sich 
aktiv einzubringen, lassen sich die risikoscheuen Deutschen lieber 
bitten. Nur: Wer sich permanent ausgrenzt, braucht sich nicht zu 
wundern, wenn Amerikaner und Briten, unterstützt von willigen Polen 
und Balten, in zahllosen Sitzungen der Nato-Komitees den Ton angeben.
Von der größten Wirtschaftsnation Europas, der Zentralmacht des 
Kontinents, muss ein selbstbewussterer Auftritt erwartet werden. 
Schließlich ist Deutschland nicht Lettland.
Auf Dauer werden sich die Deutschen Kampfeinsätzen im Süden kaum 
verschließen können. Solidarität im Bündnis heißt, Risiko und Lasten 
gleichmäßig zu verteilen - auch wenn Menschenleben in Gefahr sind. 
Schuld an der deutschen Maläse haben Regierung wie Parlament. Anstatt
den Menschen reinen Wein über den Kampfeinsatz am Hindukusch 
einzuschenken, haben die Zauderer in Berlin fahrlässig lange die Mär 
vom friedvollen THW-Einsatz der Bundeswehr verbreitet. Feiglinge sind
nicht die Soldaten in den Feldlagern, sondern allenfalls Politiker, 
die Angst vor der Wahlniederlage haben.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung