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WAZ: Heute tagt das SPD-Präsidium: Die rot-rote Versuchung - Leiartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Hat Kurt Beck wirklich geglaubt, es würde sich
niemand dafür interessieren, wenn Frau Ypsilanti sich in Hessen mit 
Hilfe der Linkspartei zur Regierungschefin wählen lässt? Hat er 
wirklich geglaubt, es würde geheim bleiben, dass er zu diesem 
außerordentlichen Vorgang Ypsilanti ausdrücklich die Freiheit gab? 
Hat er wirklich geglaubt, seine Partei würde ihm applaudieren, wenn 
er die Glaubwürdigkeit der Macht hinterherwirft? Und schließlich: Hat
er wirklich geglaubt, er müsste nicht einmal erklären, nicht einmal 
der SPD, was er hier tut? In einer doch so wesentlichen Frage, an 
deren Beantwortung auch die Zukunft der Partei hängen kann, der er 
vorsteht.
Denn machen wir uns nichts vor: Eine SPD, die, ob nun offen oder 
teilverdeckt, mit der Linkspartei regiert, ist nicht mehr dieselbe. 
Selbst, wenn uns nun Politik-Professoren vorrechnen, dass es 
möglicherweise staatspolitisch sogar geboten sein könnte, die Linke 
auch im Westen mit in Regierungen zu nehmen, auf dass sie sich dort 
entradikalisiere und Stück für Stück zur Pro-System-Partei würde: die
SPD könnte es dabei zerlegen. Ist das egal?
Als Bündnispartner der Linkspartei entwickelt sich die SPD nach 
links. Die Kräfte, die es ohnehin dahin zieht, bekämen Aufwind. 
Deutschland wird älter, die Linkspartei will die Rente mit 60. Die 
internationale Konkurrenz wird härter, die Linkspartei will die 
30-Stunden-Woche. Für ihre Forderungen wird die Linkspartei in der 
SPD Anhänger finden. Niemand weiß das besser als Oskar Lafontaine. 
Als ausgesprochen linke Partei aber würde sich die SPD von einer 
Volkspartei wegentwickeln zu einer Richtungspartei. Sie gäbe die 
Mitte preis.
Alle sozialdemokratischen Kanzler wussten, dass Wahlen in der 
Mitte gewonnen werden. Und noch etwas: "Vergesst mir die Freiheit 
nicht", hat Willy Brandt seinen Genossen zugerufen. Er wusste wohl, 
warum. Sollte es wirklich keine Rolle mehr spielen, dass die 
Mitglieder der Linkspartei mehrheitlich aus der SED stammten, die 
Sozialdemokraten in Gefängnisse sperrte? Was würde die SPD 
veranstalten, wenn sich die CDU, um einen Ministerpräsidenten durch 
zu bekommen, auf die Republikaner oder die NPD einließe? Eine neue 
Bündnis-Strategie, zumal mit einem umstrittenen Partner, sollte nicht
als Nacht- und Nebel-Aktion starten. Die meisten Sozialdemokraten 
haben ein tiefes Gefühl dafür, dass es so genau nicht geht. Heute 
tagt die SPD-Führung. Zu Beginn der Sitzung sollte Kurt Beck einfach 
zugeben, einen Fehler gemacht zu haben. Das wäre nicht schwach, 
sondern stark.

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Telefon: 0201 / 804-2727
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