Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Britisch-französische Allianz - Sarkozy besucht die Queen. Leitartikel von Joachim Rogge
Essen (ots)
Eine Einladung auf Schloss Windsor, dem erklärten Lieblings-Castle der britischen Queen, ist nicht jedem hohen Staatsgast vergönnt, der an der Themse vorbeischaut. Dass Frankreichs Präsident samt Gattin Carla dort einchecken darf, ist eine Geste der Gastgeber, die den besonderen Charakter dieses Staatsbesuchs auf der Insel unterstreichen soll. Briten und Franzosen, Rivalen, Kriegsgegner und Waffenbrüder im Verlauf 1000 gemeinsamer Jahre, proben sichtlich eine neue Nähe.
Dass dies zu Lasten der deutsch-französischen Freundschaft und der gemeinsamen europäischen Vorbildfunktion geht, liegt auf der Hand. Der Élysée-Palast lässt zunehmend auch keinen Zweifel daran, dass aus Pariser Sicht das deutsch-französische Tandem nicht genug Puste aufbringt, um das Europa der 27 noch entscheidend nach vorn zu bringen. Mag sein, dass bei der Pariser Charme-Offensive Richtung London, zu der auch Präsidentengattin Carla Bruni beitragen soll, auch verletzte männliche Eitelkeit eine Rolle spielt. An Deutschlands kühler Bundeskanzlerin Merkel beißt sich das Temperamentsbündel Sarkozy immer wieder die Zähne aus. Zuletzt erst hatte sie den Pariser Heißsporn bei seinem Lieblingsprojekt einer Union der Mittelmeerländer noch geschickt ausgebremst.
Zwar bleibt auch London für Paris ein sperriger Partner. Aber die Differenzen, zumal in der Europapolitik, werden gezielt heruntergespielt, um die neue Brüderlichkeit feierlich in Szene zu setzen. "Vive la difference", es lebe der Unterschied, heißt es heute fast schon überschwänglich, anders als noch zu Chiracs Zeiten, der den eigenwilligen britischen Nachbarn nicht allein wegen des Irak-Kriegs und der angeblich so schlechten englischen Küche misstraute. Die Liste gemeinsamer Projekte, zumal im militärischen Bereich, geht in der Tat längst weit über gute Nachbarschaft hinaus.
Dass Sarkozy überdies Tony Blair, Browns Vorgänger in der Downing Street 10, gern auf dem Stuhl des ersten EU-Präsidenten sehen würde, unterstreicht einmal mehr die anglophile Seite des französischen Präsidenten, der sichtlich Gefallen daran findet, den deutschen Partnern die kalte Schulter zu zeigen. So kurz vor der französischen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli kommt die demonstrativ gesuchte Nähe zu den britischen Kanalnachbarn, das inszenierte Spektakel mit großer Robe beim Staatsdinner im Buckingham Palast und feierlich verkündeten Absichtserklärungen, fast schon einer gezielten öffentlichen Brüskierung der deutschen Freunde gleich.
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