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WAZ: Frauen in der Politik - 100 Jahre sind nicht genug. Leitartikel von Gudrun Norbisrath

Essen (ots)

Wenn man es nicht nachlesen könnte, würde man's
nicht glauben. Das Preußische Vereinsgesetz von 1850 untersagte 
Frauen, Geisteskranken und Minderjährigen, an politischen 
Versammlungen teilzunehmen. Der mittelalterlichen Christenlehre, dass
Frauen keine Seele hätten, war da immerhin schon ein Weilchen 
abgeschworen; es dauerte aber nochmal 58 Jahre, bis es Frauen erlaubt
wurde, Mitglieder in politischen Parteien zu werden.
Na und? Hat sich doch viel getan in den letzten 100 Jahren? Haben
wir nicht eine Bundeskanzlerin? Hatten wir nicht eine 
Verfassungsgerichts-Präsidentin, denken wir nicht an eine 
Bundespräsidentin? Pardon. Nein. Trotz Frau Merkel, Frau Limbach und 
Frau Schwan. Grundsätzlich hat sich vieles geändert, im Alltag viel 
zu wenig.
Allein, dass das Wort "Feminismus" immer noch belächelt wird. Man
könnte ja wissen, dass damit nicht Frauenherrschaft gemeint ist, 
sondern Gleichwertigkeit und Entscheidungsfreiheit. Müsste nicht 
jeder anständige Mensch Feminist sein?
Allein, dass wir eine Quote brauchen! Natürlich müsste es immer 
und ausschließlich nach dem Können gehen; das Geschlecht war aber so 
lange das entscheidende Kriterium, dass es jetzt wohl oder übel noch 
eine Weile so weitergehen muss: andersrum. Wenn die Vernunft auch den
Kopf schüttelt.
Allein, dass Frauenförderung nicht als eine Frage der 
Gerechtigkeit gesehen wird, sondern als praktische Notwendigkeit. Die
Jungs kommen immer dann drauf, wenn Arbeitskräfte fehlen. Da ist dann
plötzlich von Ressourcen-Verschwendung die Rede.
Und allein, dass mit Frauenförderung meist Familienförderung 
gemeint ist. Kinderbetreuung, Teilzeitarbeit. Das ist alles 
notwendig, lenkt aber davon ab, dass Frauen, auch kinderlose, in der 
von Männern bestimmten Welt unsinnig viel Kraft brauchen, um sich 
durchzusetzen. Da hilft keine Förderung, nur radikales Umdenken. Wie 
weit das hinterher hinkt, zeigt sich bei den kleinen Erlebnissen am 
Rande, über die Frauen nur müde lächeln. Wenn sie am Telefon im Büro 
oder in der Redaktion immer wieder für die Sekretärin gehalten 
werden.
In Nebensächlichkeiten zeigt sich übrigens auch, wie unsicher 
Frauen selbst oft sind. Beim Dekollete´ der Bundeskanzlerin. Dabei 
ging es gar nicht darum, ob Angela Merkel Weiblichkeit zeigen darf, 
sondern nur darum, ob Politiker sich halbnackt zeigen sollten. Eine 
einfache Sache eigentlich.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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