Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Gesine Schwan hat keine Chance - Köhler ohne Alternative - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Gesine Schwan würde es als schönes Geschenk ansehen, nächstes Jahr am 23. Mai, einen Tag nach ihrem 66. Geburtstag, zur ersten deutschen Bundespräsidentin gewählt zu werden. Und es wäre davon auszugehen, dass Schwan Deutschland untadelig repräsentieren würde. Wäre, würde? Genau: Gesine Schwan wird es nicht.
Führende Sozialdemokraten haben diese Wahl längst vom Ende her durchdacht. Und festgestellt: ein eigener Kandidat, das geht nicht. Fraktionschef Peter Struck hat erklärt, was schlagend gegen einen sozialdemokratischen Kandidaten spricht: Er wäre nicht nur angewiesen auf die Stimmen der Vertreter der Linkspartei in der Bundesversammlung, sondern auch auf die der Rechtsextremen: NPD, DVU, Republikaner. Hat die SPD-Linke Andrea Nahles das bedacht, als sie sich für Gesine Schwan verwendete?
Die Wahl ist zwar geheim, und dennoch verbietet es sich, einen Kandidaten zu wählen, von dem nicht zweifelsfrei sicher wäre, dass seine Wahl ohne rechtsradikale Hilfe zustande kam. Der Präsident repräsentiert Deutschland im Ausland und man wagt gar nicht an die diplomatischen Verwicklungen einer Israel-Reise zu denken.
Lässt man für einen Moment das Rechtsradikalen-Argument beiseite: Jene, die öffentlich für Frau Schwan sind, weil das eine weitere Hürde für eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene abräumen würde, tun der SPD keinen Gefallen. Wegen seines Ypsilanti-Desasters kann schon Kurt Beck nicht Kanzlerkandidat werden. Wie aber würde es Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat ergehen: Er müsste erklären, weshalb eine rot-rot-grüne Koalition in der Bundesversammlung keine Folgen hätte für eine Bundestagswahl, die gerade einmal vier Monate später stattfindet. Damit würde sich ein Kandidat Steinmeier an der Grenze zur Lächerlichkeit bewegen. Weshalb auch sollte es nach einer Bundestagswahl keine Linkskoalition geben, wenn die sich kurz zuvor bei der Präsidentenwahl schon bestens bewährt hätte? Becks Linkspartei-Wende war ausschlaggebend für dessen galoppierenden Autoritätsverfall. Will man Steinmeier etwa dasselbe zumuten?
Die SPD-Führung riskiert ihre Autorität, wenn sie öffentlich weiter schweigt. Sich für Köhler auszusprechen, wäre nicht einmal unhöflich ihm gegenüber: Merkel tut das seit Wochen, ohne dass es dem Präsidenten schaden würde. Beck sollte schnell einen klaren Hinweis geben. Für alle Seiten wäre es das Beste. Auch für das Ansehen unseres Staatsoberhauptes.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de
Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell