Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Zum Bundeswehr-Gelöbnis. Stein des Anstoßes - zu Unrecht. Leitartikel von Rolf Potthoff
Essen (ots)
Der Stahlhelm - er hat für Deutsche seine besondere Bedeutung. Gedanken daran sind Gedanken an den Krieg, der Europa in Trümmer legte und Abermillionen Opfer forderte. Der deutsche Soldat war Inbegriff für Schrecken und Tod. Dass er nur einen "sauberen Krieg" geführt habe, ist seit den dokumentierten "Verbrechen der Wehrmacht" als Legende entlarvt. Selbst hohe Militärs, die zu Stauffenbergs Kreis der Hitler-Attentäter gehörten, wussten um die "Liquidierung" von Zivilisten, nahmen sie duldend hin, wie es Henning von Treskow im Russlandfeldzug offenbar tat. Und nicht wenige Soldaten, die den Krieg als monströses Unrecht erkannten, machten weiter, weil sie den Fahneneid feierlich auf den "Führer" hatten ablegen müssen.
Diese furchtbaren Erfahrungen haben das Nachkriegsdeutschland geläutert. "Staatsbürger in Uniform" sollte der Soldat werden: Das war das Ziel, als das Parlament in den 50er-Jahren die Bundeswehr ins Leben rief, mit dem Prinzip einer der Demokratie verpflichteten Inneren Führung.
Zu dieser Bundeswehr gehört auch das Gelöbnis. Die Zeremonie ist Tradition; ihre Pflege gibt Halt, verleiht der Truppe Struktur. Allerdings sind an Militär-Rituale gerade bei uns dunkle Erinnerungen geknüpft. Und das mystische Gehabe mit Fackel und Trommeln wirkt drohend, also längst überholt. Aus diesem Grund sind diejenigen zu respektieren, die das Ritual kritisieren.
Doch - obwohl sich gegen die dumpfe Zeremonie vieles im Inneren sträubt: Bundeswehr-Gelöbnisse sind kein Ausdruck einer militaristischen, gar braunen Verklärung. Sie sind kein Indiz für martialische Schwärmerei - dazu ist die Bundeswehr zu tief verankert in unserer zivilen Gesellschaft. Und auch das sei zornigen Eiferern gesagt: Dem Gelöbnis am 20. Juli, dem Hitler-Attentats-Tag, waren bereits Polens damaliger Präsident Kwasniewski und der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, zugegen - die Menschen, die sie repräsentierten, haben unsagbar gelitten unter deutschem Regime.
Umso bitterer war die Absage etlicher Parlamentarier an die Berliner Zeremonie. Hatten sie keine Lust, ihren Sommersonntag zu "opfern"? Ist die Bundeswehr fern ihres Interesses? Es wirft ein mieses Licht auf die, die sonst so gönnerhaft und pathetisch über "unsere Truppe" schwadronieren. Es ist eine schäbige Haltung derer, die Soldaten in Einsätze schicken, die ihren Tod bedeuten können. Merkels und Steinmeiers Zusagen haben Bundeswehr und Politik im letzten Moment eine Blamage erspart.
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