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WAZ: Die SPD am Scheideweg - Schnelle Klärung ist nötig - Leitartikel von Walter Bau
Essen (ots)
Die vermeintliche Einigkeit, die die SPD noch am Wahlabend zur Schau stellte, ist schon am Tag danach dahin. Franz Müntefering ist nur noch ein Vorsitzender auf Abruf, die überfällige Kursdebatte in der Partei ist angestoßen. Schon jetzt ist sicher: Der SPD stehen turbulente Zeiten bevor. Die neue personelle Aufstellung, die offenbar den Wahlverlierer Steinmeier als neuen starken Mann vorsieht, kann dabei nur der erste Schritt sein. Zwei weitere Schritte, die die SPD machen muss, werden der Partei weitaus mehr Kraft abverlangen.
Schritt 1: Die Sozialdemokraten müssen klären, was sie eigentlich wollen. Wollen sie den Kurs von Gerhard Schröder fortsetzen, der die SPD für die "neue Mitte" öffnete und so 1998 erfolgreich über die 40-Prozent-Grenze hievte; oder wollen sie zurück zur Partei der mittleren und unteren Schichten, inklusive Abkehr von Agenda-Politik und Hartz? Wie dieser Klärungsprozess ausgeht, ist längst nicht entschieden.
Schritt 2: Die SPD muss ihr Verhältnis zur Linkspartei klären. Lässt sie sich auf einen Überbietungswettbewerb beim Versprechen sozialer Wohltaten ein; oder akzeptiert sie die Partei von Gysi und Lafontaine womöglich als potenziellen Bündnispartner? Die erste Nagelprobe dafür steht ausgerechnet in NRW an, wo im nächsten Mai gewählt wird. Landesparteichefin Hannelore Kraft, die künftig in der Bundes-SPD eine wichtigere Rolle einnehmen soll, wird in diesem Punkt Farbe bekennen müssen.
Hinzu kommt: Die SPD darf sich nicht unendlich Zeit lassen mit der Abarbeitung dieses Programms. Sie muss schnell wieder das 20-Prozent-Getto hinter sich lassen. Mit jeder Wahl, die die Misere zementiert, wird es unwahrscheinlicher, dass die SPD auch nur halbwegs zu alter Stärke zurückkehrt.
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