Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Das Tor zur syrischen Hölle. Kommentar von Gudrun Büscher
Essen (ots)
Es sind Bilder, die man nicht vergessen kann und nicht vergessen darf: tote Kinder in weißen Säcken, zu Dutzenden am Boden aufgereiht, dazwischen panische Väter und Mütter, die fassungslos ihren Schmerz herausschreien. Die Videos von hilflos zuckenden Körpern, bevor der langsame Tod durch Er- sticken eintritt. Der Giftgas-Einsatz in Syrien hat das Tor zur Hölle aufgestoßen. Und das darf, sagt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht ohne Konsequenzen bleiben. Chemie-Waffen sind geächtet. Wer sie einsetzt, verletzt eines der letzten Tabus, die zum Schutz der Zivilbevölkerung Bestand haben, und offenbart eine Skrupellosigkeit, die schier unerträglich ist. Die "rote Linie" war von US-Präsident Obama klar markiert und wurde ebenso klar missachtet. Wer das durchgehen lässt, muss mit Nachahmern rechnen und auch damit, dass die syrische Führung dieses Signal als "Weiter so" interpretiert. Zusehen ist deshalb im syrischen Bürgerkrieg keine Option mehr. Aber was ist eine angemessene Antwort? Obama ist dabei, Allianzen zu schließen. Russland wird nicht dabei sein. Präsident Putin steht, so bitter es ist, fest zu Machthaber Assad. Es wird deshalb vermutlich eine Straf-Allianz ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats geben. Doch was auch immer passiert - Luftschläge gegen Munitionsdepots, Startbahnen, Raketenstellungen oder Regierungsgebäude - die Gefahr ist groß, in den Krieg hineingezogen zu werden. Es gibt in diesem Gemetzel keinen richtigen Weg. Es gibt keine klaren Fronten und keine klaren Bündnisse, kaum säkulare Gruppen, die man vorbehaltlos unterstützen kann. Es gibt nur Leid, Hunderttausende Flüchtlinge, Tod und Verderben. Alle Optionen sind furchtbar wie der Krieg selbst. Genau das ist ja das Dilemma des Westens. Was geschieht, wenn das Eingreifen des Westens den Sturz von Assad fördert - und Al-Kaida mächtig macht? Was geschieht, wenn die syrische Antwort auf Luftschläge des Westens Israel trifft? Der Krieg in Syrien hat den Libanon schon erreicht. Es ist leicht möglich, dass er auch andere Nachbarländer erfasst.
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