Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Soziale Bewegung aus Deutschland. Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Es gibt nun eine neue soziale Bewegung. Sie ist zeitgemäß und daher grenzenlos. Und sie hat in Deutschland angefangen. Sie ging von zwei Schriftstellern aus, Juli Zeh und Ilja Trojanow. Das alles ist sehr bemerkenswert und wer es abtun will als lebensfremdes Zeug, als folgenlosen Schreiberling-Aktionismus, verkennt zwei Dinge: Die Demokratie ist im digitalen Zeitalter tatsächlich gefährdet und alles, was groß wurde, hat klein angefangen. Der Umweltschutz zum Beispiel. Die Herausforderung ist die: Wie lässt sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedes Bürgers verteidigen gegen Konzerne wie Google oder Amazon, die aus Bürger-Daten Konzern-Gewinne machen und gegen Staaten, die alle Bürger überwachen, um wenige Terroristen zu finden. Die Angelegenheit ist kompliziert, weil die Datensammelei teilweise auch ihr Gutes hat. Wenn Amazon nach einem Kauf weitere Kaufempfehlungen an Kunden schickt, freuen sich viele Menschen über diese Dienstleistung. Und wenn Staaten Terroristen jagen, um schreckliche Anschläge mit vielen Toten zu verhindern, dann müssen sie nach dem neuesten Stand der Technik fahnden können. Beide Phänomene, das staatliche wie das kommerzielle, tragen denselben Namen: Big data. "Wir müssen die Freiheiten, die wir uns jahrhundertelang in der analogen Welt erkämpft haben, in die digitale übertragen." Darum geht es und es muss nicht aussichtslos bleiben, nur weil weltweite Konzerne so schwer zu kontrollieren und für Datenmissbrauch zu bestrafen sind wie Geheimdienste. Am Ende kann es nicht darum gehen, das Sammeln von Daten zu verbieten, das wäre eine Illusion. Aber es lässt sich sehr wohl regeln, wie Konzerne und Staaten mit diesen Daten umzugehen haben. Nichts anderes steht in den Datenschutzgesetzen, an die sich Geheimdienste in der Regel halten. Wäre es anders, sie würden nicht ständig nach einer Aufweichung dieser Gesetze rufen. Die Debatte ist wichtig, sie entlarvt eine große Illusion. Das Internet dient eben nicht nur demokratischer Teilhabe. Aus "Wissen für alle" ist "Wissen von allen" geworden.
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