Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Nadelstiche aus Europa - Kommentar von Knut Pries
Essen (ots)
Die EU versucht es angesichts der Gewaltorgie in Kiew mit Sanktionen gegen das Regime Janukowitsch. Gut so. Man muss nicht denen, die einen materiellen Nutzen aus der Unterdrückung ziehen, auch noch behilflich sein, die Früchte ihrer Brutalität im Ausland zu genießen. Den ein oder anderen Systemprofiteur mag der Frust über ein gesperrtes Konto nachdenklich machen, wie weit er es mit der Unterstützung des herrschenden Clans treiben soll. Der ersehnte Soforteffekt - Beendigung der Gewalt, Start eines politischen Veränderungsprozesses mit zivilen Mitteln - ist damit aber nicht zu erzielen.
Was den Fall der Ukraine für wohlmeinende Einwirkung von außen so schwierig macht, ist die Verquickung zweier Probleme. Im Lande selbst ist das die materiell und moralisch korrupte Sippschaft der Regierenden und ihrer Sponsoren. Beim Nachbarn nebenan ist es der große Pate Putin. Beide haben bis auf weiteres Interesse, Janukowitsch zu stützen. Die einen, weil sie in seinem Windschatten ihre Geschäfte machen können. Der andere, weil der skrupellose Herr in Kiew am ehesten die Gewähr dafür bietet, dass die Ukraine, vor Kurzem noch Schlüsselrepublik im Sowjetreich, sich nicht von Russland ab- und dem Westen zuwendet.
Wenn es eine Kraft gibt, die möglicherweise in der Lage ist, das Regime zu erschüttern, ist es der Maidan selbst. Also die politische Bewegung, die unter dem Namen ihres Haupttatortes mittlerweile Geschichte macht wie zuvor die Massen auf dem Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo.
Ob das Regime fällt und wann, weiß freilich derzeit keiner. "Nur noch eine Frage der Zeit", raunen sie in Brüssel. Stimmt - kann nur verdammt lange dauern, siehe Syrien.
Das alles heißt nicht, dass man auf den Einsatz der Mittel, die man hat, verzichten sollte. Über ihre begrenzte Reichweite darf man sich aber keine Illusionen machen. Um im Falle Ukraine wirklich etwas zu bewegen, müsste sich die EU in die Lage versetzen, ihr wirtschaftliches Gewicht im Umgang mit Russland strategisch zur Geltung zu bringen. Davon ist sie weit entfernt.
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