Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Griechische Euphemismen. Kommentar von Alexander Marinos zu "Umschuldung"
Essen (ots)
Wer "Arbeitnehmer freistellt", statt sie zu "entlassen", oder vom "Verteidigungsfall" statt vom "Krieg" spricht, der benutzt Euphemismen. Der Begriff "Euphemismus" stammt natürlich (!) aus dem Griechischen und beschreibt die Beschönigung eines negativen Sachverhaltes; es handelt sich also - zungenbrecherisch - um ein "Glimpfwort". Nun erweist sich auch der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis als ein Meister in der Verwendung solcher sprachlich-politischer Täuschungsmanöver. Er ersetzt den bislang geforderten "Schuldenschnitt" durch das Glimpfwort "Umschuldung". Allerdings verzichtet er auf eine Verbrämung dieser Verbrämung und gibt ganz offen zu, dass die semantische Übung vor allem dem Zweck dient, die Gegner eines Schuldenschnittes - also in erster Linie Deutschland - zu beruhigen. Noch unverschämter, noch dreister geht es nicht. Immerhin sind Varoufakis und sein Chef Alexis Tsipras in gewisser Weise berechenbar. Sie tun nach der Wahl das, was sie vorher angekündigt haben, und sie bleiben in ihrem Auftreten und ihrer Wortwahl brutal. Was soll man auch von Leuten erwarten, die den Bundesfinanzminister als "Gauleiter Schäuble" bezeichnen und mit Blick auf das griechische Sparprogramm vom "sozialen Holocaust" schwadronieren? Wer so leichtfertig die Nazi-Verbrechen relativiert, kann auch ungeniert mit den Rechten koalieren. Deutschland ist der mit Abstand größte Gläubiger Griechenlands. Doch Tsipras lässt Berlin bei seiner Europa-Tour links liegen und provoziert nur. Am Ende wird er an Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht vorbeikommen. Diese Frau weiß, wie man mit vor Testosteron fast platzenden Männern umgehen muss. Sie wird an ihrem harten Kurs ruhig festhalten. Das aber bedeutet: Lenkt Athen nicht ein, geht an einer Pleite Griechenlands kein Weg vorbei. Schreiben wir also lieber jetzt schon gut 40 Milliarden Euro ab. Eine "Umschuldung" würde ja auch nur bedeuten, die Rückzahlung auf Sankt Nimmerlein zu verschieben. Und wenn doch noch ein Wunder geschieht und Athen lenkt wirklich ein? Dann könnte sich die verhasste Troika ja im Gegenzug in "Beratergruppe" umbenennen. Ein wirklich schöner Euphemismus wäre das!
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