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WAZ: Problem erkannt, Problem verdrängt. Kommentar von Stefan Schulte zur Altersarmut

Essen (ots)

Auf das deutsche Rentensystem blicken die allermeisten Länder voller Neid. Das gern geschmähte Umlagesystem hat sich als krisenfest erwiesen, und es wird auch in Zukunft den meisten Versicherten ein Altern in Würde ermöglichen. Weil aber künftig weniger Berufstätige mehr Ruhegelder finanzieren müssen, wird die staatliche Rente sinken und für viele Menschen allein nicht mehr ausreichen. Das liegt weder in der Verantwortung der Rentenversicherung noch der Politik, sondern ist schlicht dem gesellschaftlichen Wandel geschuldet. Umso mehr liegt es in der Verantwortung der Politik, dieses absehbare Problem einer alternden Gesellschaft abzufedern, es zumindest nicht weiter zu verschärfen. Genau das tut aber die Große Koalition. Ihr schönes Paket mit Mütterrente und Rente mit 63 hilft Menschen, denen man ein paar Euro mehr im Monat oder einen früheren Ruhestand gerne gönnt. Nur haben ausgerechnet jene, denen Altersarmut droht oder die schon heute als Rentner zum Sozialamt gehen müssen, nichts davon. Die Mütterrente wird mit der Grundsicherung im Alter verrechnet. Und die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ist für die meisten Frauen unerreichbar. Mehr noch: Weil das Paket rund neun Milliarden Euro im Jahr kostet, sinkt das Rentenniveau noch schneller und stärker als durch die Demografie ohnehin schon. Die Regierung verschärft damit auf lange Sicht die Altersarmut noch, anstatt sie zu bekämpfen. Gegensteuern soll hier ab 2017 die Mindestrente, so sie denn kommt. Nur sind auch hier die Hürden so hoch, dass vor allem Mütter mit Lücken im Erwerbsleben auf der Strecke bleiben. Und die geforderte private Altersvorsorge können sich gerade Geringverdiener nicht leisten. Der Staat fördert zwar Riester-Renten, zieht sie absurderweise aber von der Grundsicherung wieder ab. So grenzt die Regierung die größten Problemgruppen aus. Für sie ist ja auch kein Geld mehr übrig. Die Altersarmut wird wachsen. Dass sich selbst eine Große Koalition mit breitester Mehrheit um dieses Problem herumdrückt und es der nächsten Regierung überlässt, kommt einer Kapitulation gleich.

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