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WAZ: Quälende Suche, gute Entscheidung - Kommentar von Chefredakteur Andreas Tyrock zur Einigung auf die Gauck-Nachfolge
Essen (ots)
Alles spricht dafür, dass Frank-Walter Steinmeier der nächste Bundespräsident und damit Nachfolger von Joachim Gauck wird. Das ist eine gute Entscheidung. Steinmeier ist ein kluger Mann, erfahren, äußerst beliebt. Ein Mann der Worte, ein überzeugter Europäer, über die Parteigrenzen hinaus geschätzt und respektiert. Bundespräsident Gauck wird große Schuhe hinterlassen, denn seine Amtszeit war und ist erfolgreich. Steinmeier dürfte am ehesten in der Lage sein, ein würdiger Nachfolger zu sein. Alles gut also? Nicht ganz.
Denn unabhängig von der richtigen Entscheidung für Steinmeier ist es angebracht, die Kandidatensuche der vergangenen Monate zu beleuchten. Sie zog sich zuletzt quälend hin und lieferte den Kritikern politischer Kungeleien zusätzliche Argumente. In Zeiten, in denen "die da oben" kritischer denn je beäugt werden, musste eine Lösung her. Quasi auf der letzten Rille kam es zu einer Einigung, so dass das Amt des Bundespräsidenten fast beschädigt worden wäre. Zudem bestätigte sich, dass Kanzlerin Angela Merkel beim Personal fürs höchste Staatsamt keine glückliche Hand hat. Im Gegenteil. Nachdem Joachim Gauck im Frühsommer seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit verkündet hatte, wurde schnell klar, dass die Kanzlerin erneut in die Bredouille kommen könnte. Die Amtszeiten ihrer früheren Wunschkandidaten Horst Köhler und Christian Wulff verliefen unglücklich, den erfolgreichen Gauck hingegen wollte sie eigentlich nicht. Den Ausschlag für ihn gab der damalige Koalitionspartner FDP.
Jetzt setzte Merkel auf einen gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition und wurde von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel vorgeführt. Dessen überraschender Vorstoß für Steinmeier war zwar unhöflich und wenig loyal, offenbarte aber eine Schwachstelle im System Merkel. Sie fand in der Union und außerhalb von CDU/CSU wieder keinen geeigneten Kandidaten. Und diejenigen, die sie im Blick hatte, winkten aus verschiedensten Gründen ab. Nein, das wollten sich viele nicht antun. Und, auch das gehört zur Wahrheit, so mancher wollte einem dritten Wahlgang und einer möglichen Niederlage gegen Steinmeier aus dem Weg gehen. Insofern landete Sigmar Gabriel einen Coup, der seine Position innerhalb der SPD stärken dürfte. Zudem läuft im Außenministeramt alles auf Martin Schulz zu, derzeit Präsident auf Abruf im Europaparlament und ein Mann, von dem sich die SPD im bevorstehenden Bundestagswahlkampf neue Impulse erhofft. Wer weiß, vielleicht wird er sogar SPD-Kanzlerkandidat, falls Gabriel sich keine Hoffnungen auf einen Erfolg machen kann.
Nun mag man kritisieren, dass das Bundespräsidentenamt nicht zur parteitaktischen Profilierung tauge. Doch das ist weltfremd. Es war nie anders und wird nicht anders sein, solange die politische Willensbildung im Wesentlichen über Parteien erfolgt, wie es das Grundgesetz bekanntlich vorsieht. Insofern könnte die Personalie Steinmeier auch ein Signal für die Bundestagswahl sein. In der CDU fand sich kein geeigneter Kandidat - was im Übrigen viel über den personellen Zustand der Christdemokraten aussagt. Und die CSU tat alles, um den ebenfalls als Kandidaten gehandelten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu verhindern. Ein grüner Bundespräsident, gewählt mit schwarzen Stimmen! Was wäre das für ein Signal gewesen. Dann lieber ein Wink in Richtung Große Koalition. Doch fernab von möglichen Mehrheiten nach der Bundestagswahl gilt schon heute eine Prognose als sicher: Frank-Walter Steinmeier wird ein überzeugender, ein würdiger Bundespräsident sein.
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