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WAZ: Tamiflu gegen Vogelgrippe: Der Bauch ist ein Skeptiker - Kommentar von Petra Koruhn

Essen (ots)

"Es gibt keinen Grund zur Panik.” „Die Vogelgrippe
ist eine Tierseuche.” „Tami-flu hilft nicht unbedingt gegen
Vogelgrippe.” Die Sätze zur kollektiven Entwarnung, wir können sie
auswendig. Nun ist noch ein Satz hinzugekommen: „Horten ist sinnlos.”
Information als ein Weg zu kühlem, zu klugem Handeln? Das kann man
vergessen. Der Umgang mit einem Medikament namens Tamiflu, das sich
nun in Badezimmerschränken stapelt, hat der (naiven) Hoffnung,
Aufklärung könnte Besonnenheit erzielen, einen Dämpfer verabreicht.
Die Immunität gegen Fakten hat allerdings einen Grund: Der Mensch,
mag er sonst die Prinzipien der Rationalität hoch preisen – wenn er
Angst hat, vertraut er nicht dem Kopf, sondern dem Bauch. Und der
sagt a): Was ist, wenn sich trotz aller Bekundungen das Virus doch
von Mensch zu Mensch übertragen lässt? Schließlich können sich
Forscher irren. Ein Satz wie „Tamiflu hilft nicht unbedingt gegen
Vogelgrippe” lässt den Schluss zu: „vielleicht ja doch”. Der Bauch
ist ein Skeptiker, er sagt sich b): Warum nicht für den Fall der
Fälle schon mal die Medizin im Schrank haben? Beides – a und b – sind
zunächst nicht Zeichen von Hysterie, sondern Fragen, gespeist aus der
Sorge um das eigene Wohlergehen, das der Kinder, das der Familie.
Die Logik ist doch einfach: Warum nicht horten? Was kann schon
passieren, außer dass das Verfallsdatum abgelaufen ist, man die 34
Euro für die Tonne ausgegeben hat? Egal, für den Fall der Fälle hat
man auf die Pille Sicherheit gesetzt. Ein Prinzip, das von Ärzten
belächelt wird, ein Prinzip aber, das Vorsorge heißt – und nach dem
wir wohl alle mehr oder minder erzogen worden sind. Der einzige
Haken, der uns mit unserer Vorsorge ins Leere laufen lässt, ist: Es
gibt keine Sicherheit.
Wenn schon – ein Versuch ist es wert, sagt sich vielleicht mancher
und gönnt sich das Medikament zum Eigenbedarf. Aber Vorsicht: Hier
liegt die wirkliche Gefahr – in der falschen Einnahme. Tamiflu kann
man nicht einwerfen wie einen Drops; die Verabreichung muss unter
ärztlicher Anweisung erfolgen. Nur der Arzt kann sehen, ob man mit
Husten, Schnupfen, Heiserkeit wirklich Grippe-Symptome zeigt oder nur
an einem viralen Infekt leidet. Wer das Mittel im Schrank hat, für
den ist die Versuchung groß, einfach etwas einzunehmen.
Falschanwendung führt zu einer großen selbst verschuldeten
Nebenwirkung – wobei die Nicht-Wirkung noch das geringste Übel ist.
Es geht um die Gefahr von Resistenzen. Leidensgeschichte der
Antibiotika. Das ist das Problem, was selbst hervorragende Mittel
fast ins Aus drängt – durch falsche Einnahmen werden die Mittel
wirkungslos.
Bevor man sich von seinen Freunden, Kollegen, Nachbarn vom Virus
der Angst anstecken lässt, sollte man einmal über diesen Satz
nachdenken: Horten ist sinnlos.

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