Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Beneidenswert, diese Region - Kommentar von Gudrun Norbisrath
Essen (ots)
Die Kulturhauptstadt Europas lag am vergangenen Samstag in Bochum. Am Freitag wird sie in Gladbeck sein, danach in Duisburg und Essen. Die Ruhr Triennale 2006 hat angefangen, und sie ist mehr denn je verbunden mit dem Gedanken, dass sich das Ruhrgebiet zeigen will und muss als Ort, der seine Vergangenheit nicht leugnet und seine Zukunft zuversichtlich begrüßt.
Die Ruhr Triennale markiert einen Neubeginn, und dem wohnt ein Zauber inne, als hätte Hesse seinen viel zitierten Satz ausdrücklich auf diese ungewöhnliche, brodelnde Region und ihr ungewöhnliches, vor Energie berstendes Festival gemünzt.
Der kulturelle Aufbruch im Ruhrgebiet, das waren einmal die Ruhrfestspiele. Die waren goldrichtig vor 50 Jahren, damals, als man den Kumpels noch die Kultur bringen musste. Otto Burrmeister hatte gar keine andere Wahl, als den bürgerlichen Kanon ins Revier zu holen; es gab hier viel nachzuholen. Und natürlich kann man mit Bildungsbürgerlichem auch heute noch die Leute locken (und die Kassen füllen), aber die Leute haben etwas Besseres verdient. Sie bekommen es bei der Ruhr Triennale.
Um dieses Festival muss man eine Region glühend beneiden; und diese Region sind wir. Ja, auch wenn wir uns noch ungläubig die Augen reiben: Hier bei uns passiert das aufregend Neue. Hier werden kulturelle Ereignisse von ungeheurem Anspruch und hervorragender Qualität geschaffen; sie machen Furore in aller Welt und wir sind mittenmang und von Anfang an dabei. Haben wir das wirklich schon begriffen?
Ruhr Triennale, das ist Kultur an allen Ecken und Enden, das ist der Vorgriff auf die Kulturhauptstadt. Es wird noch ein Weilchen dauern, bis die Gremien arbeiten können, die das große Kulturjahr 2010 vorwärts bringen sollen. Das sei allen voreiligen Kritikern in Erinnerung gerufen: Erst in diesem Herbst wird Brüssel formell den Beschluss fassen, der Essen und das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt macht. Bis dahin kann keine Betreibergesellschaft gegründet, kein Programm verabschiedet und kein künstlerischer Direktor verpflichtet werden.
Aber die Ruhr Triennale gibt es schon, und das ist nicht nur taktisch wichtig, sondern auch einfach schön. Egal, wie notwendig, sinnvoll oder nützlich dieses Festival fürs Image, für den Tourismus und für den ganzen abscheulich papiernen Strukturwandel sein mag dieses Festival ist ein Ereignis für die Seele, für's Herz, für's Gemüt. Es verspricht auch in diesem Jahr, fantastisch zu werden das wollen wir, und das wollen wir erhoffen.
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