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WAZ: Merkels Politik der Trippelschritte - Kommentar von Stefan Schulte

Essen (ots)

Kein Tag ohne neue Kritik an der Gesundheitsreform.
Die Union bettelt mit ihren Querschüssen um ein Machtwort der 
Kanzlerin. Merkel muss und wird diese Reform durchziehen, damit die 
Koalition nicht scheitert. Doch gemessen an ihren Ansprüchen müsste 
es heißen: Weil die Koalition diese Reform durchzieht, ist sie 
gescheitert.
Die These, nach der nur eine Große Koalition die großen Probleme 
meistern könne, darf archiviert werden. Mehr ging nicht, wir lagen zu
weit auseinander, verteidigen sich die Koalitionsspitzen. Eine 
schwache Ausrede. Denn sie folgt der Logik, dass sich zwei gleich 
starke Gegner neutralisieren. Das aber heißt: SPD und Union begreifen
sich als Koalitionsgegner, nicht als -partner.
Die leidige Gesundheitsreform ist ein Exempel für die Schwäche 
dieser Großen Koalition. Beide Seiten wollen sich in der wichtigsten 
Reform zu gleichen Teilen wiederfinden. Also werden Eckpunkte 
gesetzt, die sich gegenseitig ausschließen. So will die Union, dass 
die Leute mehr selbst zahlen und bekommt ihre Mini-Kopfpauschale. Und
die SPD setzt eine Überlastungsgrenze durch, die fast alle vor dieser
Pauschale bewahrt. Was bleibt, sind Beitragserhöhungen.
Die Schwächen sind so offenbar, dass sich der großkoalitionäre 
Reformhäcksler wie von selbst in Gang setzt. Fachpolitiker steigen 
auf ihre Hinterbänke, Ministerpräsidenten lassen sich von 
Lobbyverbänden erklären, was alles nicht kommen darf - und schon 
steht die Kanzlerin vor der Machtfrage. Die müsste sie eigentlich mit
einem Basta beantworten. Doch Merkel neigt eher zu zehnmal 
geglätteten Kompromisskompromissen. So wie Schröder, bevor er vom 
Konsens-Kanzler zum Basta-Kanzler wurde.
Merkels Politik der kleinen Schritte wird das Land nicht sehr 
weit bringen. Es sind ja nicht mal Schritte nach vorn. Derzeit 
trippeln Union und SPD aufeinander zu, um festzustellen, wer wem 
zuerst auf die Füße tritt. So wie die Kinder bei der Piss-Pott-Wahl 
vor dem Bolzen.
Sicher ist bei dieser Gesundheitsreform nur eines: Sie wird die 
Bürger in ihrem fatalen Glauben bestärken, durch Reformen werde 
nichts besser, sondern nur alles teurer. Fatal deshalb, weil unser 
Sozialsystem noch vieler Reformen bedarf, am dringendsten in der 
Pflege. Das fiele leichter, wüsste man die Bevölkerung hinter sich. 
Doch wer immer künftig Dinge ändern will, darf sich des Widerwillens 
der Bürger gewiss sein. Und weil die auch noch wählen dürfen, wartet 
am Ende dieser Regierungszeit eine löwengrubengroße 
Opportunismus-Falle.

Rückfragen bitte an:

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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