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WAZ: Die Gesundheitsreform: Nicht alles wird schlechter - Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Einen Sommer und einen Herbst und einen halben
Nichtwinter lang hat uns die Koalition mit ihrer Gesundheitsreform 
gequält. Heute will sie ihre vom Umfang her größte Reform 
verabschieden. Ein paar dutzend Abgeordnete werden von der Fahne 
gehen, und dafür haben sie gute Gründe. Dennoch: Die Reform zu 
kippen, wäre noch schlimmer als sie durchzuwinken.
Das zu glauben, mag schwerfallen nach all den vernichtenden 
Kommentaren. Zumal diese zu Recht vernichtend ausfielen. Allerdings 
ging es darin vor allem um die missratene Finanzreform. Dass ein 
Klumpatsch aus kleiner Kopfpauschale der Union und zentraler 
Geldumverteilungsstelle im Sinne der SPD die Kassenfinanzen ordnen 
soll, glaubt nur die Koalition selbst. Tatsächlich ist der einzige 
Zweck des Gesundheitsfonds ein Selbstzweck. Er ermöglicht den 
Volksparteien, nach der Wahl 2009 ihr Modell umzusetzen, entweder die
Kopfprämie der Union oder die SPD-Bürgerversicherung.
Bestünde die Reform nur aus dem Gesundheitsfonds, wäre sie 
überflüssig. Doch neben der Finanzreform enthält sie auch gute 
Strukturelemente: Sie beendet etwa den Skandal, dass mehrere 
hunderttausend Bürger gar nicht krankenversichert sind. Sie 
verbessert die ambulante Schmerztherapie und ermöglicht es damit 
Schwerstkranken, länger zuhause zu bleiben. Sie führt bei 
Medikamenten eine Kosten-Nutzen-Analyse ein, die helfen wird, die 
Arzneiausgaben zu senken. Und sie bietet Versicherten die Chance, 
Beiträge zu sparen. So gibt es künftig Wahltarife, etwa mit 
Selbstbeteiligung.
Doch die Vorzüge werden durch die Finanzreform überschattet. Die 
Änderungen kurz vor der Verabschiedung haben diesen Eindruck nur 
verschlimmert. Die unangenehmsten Dinge, etwa Wechselmöglichkeiten 
und Basistarif in den Privatkassen, wurden auf 2009 vertagt. Auch die
Lobbys der Pharmaindustrie und der Apotheker haben das für sie 
jeweils Schlimmste verhindert.
Die Behauptung, nichts werde besser, alles nur schlimmer, ist 
aber falsch. Dass wegen der Reform die Beiträge gestiegen seien, 
ebenso. Richtig und schlimm genug ist, dass die Reform dies nicht 
verhindert hat. Ohne wären sie aber genauso gestiegen. 2009 jedoch 
wird der Gesundheitsfonds die Beiträge in heute günstigen Kassen 
explodieren lassen. Weil das kurz vor der nächsten Wahl nicht so gut 
käme, bleibt die Hoffnung, dass die Koalition ihren Fonds ein 
weiteres Mal verschiebt. Die guten Elemente umzusetzen und das 
Finanzmonstrum leise zu beerdigen, wäre die beste Lösung.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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