Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Wenn der Bergbau ausläuft: Unsere Chancen-Region - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Mitte März eröffnet Boehringer, weltweit führender Chemie-Riese, einen Produktions-Standort; nicht in Indien, nicht in Ungarn, sondern: in Dortmund. Die Uni Bochum konkurriert im Exzellenz-Wettbewerb. Bochum und Essen planen, ihre Kräfte zu bündeln, die medizinischen Fakultäten zusammenzulegen. Das Science-to-Business-Center von Degussa, das Max Planck-Institut in Dortmund, das Forschungs- und Entwicklungs-Engagement von Weltfirmen wie Thyssen, Bayer und Bosch im Revier, die Logistik-Erfolge in Duisburg: Wer glaubt denn noch, dass im Ruhrgebiet die Lichter ausgehen, wenn - in mehr als zehn Jahren (!) - die Bergbau-Subventionen auslaufen?
Es wird Zeit für einen Mentalitäts-Wechsel. Viel zu lange wurde den Menschen im Ruhrgebiet weißgemacht, die Montan-Subventionen seien ihre beste Zukunfts-Garantie. Sachsen, ein Land mit vielen Struktur-Problemen, gibt heute mehr als zwei Prozent seines Inlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus; in Nordrhein-Westfalen sind es nur 1,3 Prozent. Wegen der Subventionierung des Bergbaus fehlte das Geld für Innovationen. Die Lehre: Es hat keinen Sinn, mit Steuergeld zu päppeln, was am Markt langfristig nicht wettbewerbsfähig ist.
Es ist auch eine gepflegte Illusion, zu glauben, der Staat könnte industrielle Arbeitsplätze schaffen. Er kann sie nicht einmal retten. In den vergangenen fünf Jahren sind im Revier 100 000 Jobs verloren gegangen, viel mehr als im Landesdurchschnitt. Und kein Ministerpräsident konnte das verhindern. Und auch, wenn sich ein Oberbürgermeister mit einem Landesminister auf eine grüne Wiese stellt und den Grundstein für einen Technologiepark in der Erde vergräbt, dann ist das noch lange keine Garantie dafür, dass es auch funktioniert. Die Liste von Projekten, in denen Staatsknete unproduktiv versenkt wurde, ist leider lang.
Nun werden bis 2013, rechnet man alle Fördertöpfe zusammen, noch einmal rund zwei Milliarden Euro ins Revier fließen. Viel Geld, eine große Chance. Hoffentlich wird es für die richtigen Projekte ausgegeben, solche mit einer langfristigen Perspektive; solche, an denen sich mittelständische oder großindustrielle Firmen beteiligen. Bitte kein Aktionismus mehr, und Schluss mit dem Rasenmäher-Prinzip, Ende mit parteipolitisch motivierten Lieblings-Objekten. Und die Vision? Aus einer Alimentations- wird eine Chancen-Region. Und aus dem Kohlenpott wird: ein lebens- und liebenswertes Technopolis.
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