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WAZ: Gegen den Jugendwahn: Schönheit ist normal - Leitartikel von Ulrich Schilling-Strack

Essen (ots)

Sharon Stone ist das neue Gesicht von Dior. Kim
Basinger wirbt für Prada. Twiggy ist ein Aushängeschild für das 
britische Modehaus Marks & Spencer. Sharon Stone strebt hurtig der 50
zu, die Basinger hat diese Grenze schon überquert, und Twiggy 
sowieso. Einige Damen der Kosmetik-Firma Dove, die uns jetzt per 
TV-Spot im Wohnzimmer besuchen, sind sogar über 60. Sie alle werben 
nicht für Haftcreme oder Stützstrumpf. Sondern für Schönheit.
Das war bisher im Plan nicht vorgesehen. Jung und schön, diese 
Ehe schien doch für die Ewigkeit geschmiedet. Die Folge: Der 
Schönheitswahn hob sein hässliches Haupt. Der Kampf um das 
Traumgewicht endete nicht selten mit der Essstörung. Der Griff nach 
der Perfektion mit der Depression. Alle wollten eben so aussehen wie 
das Model auf dem Plakat, mit makelloser Haut und schlankem 
Gazellenbein. Die erforderlichen Wundermittel gab es zu kaufen.
Glück und Zufriedenheit waren allerdings nicht mit im Angebot. 
Alle Cremes der Welt konnten nicht überschminken, dass das Model auf 
dem Plakat immer noch die Schönste im ganzen Land war. Das 
Schneewittchen-Syndrom, einmal anders: Am Ende fühlte man sich klein 
und hässlich wie der Zwerg.
Vielleicht auch deshalb hat die Werbung erst die ältere und jetzt
endlich auch die ganz normale Frau entdeckt. Wir vermuten mal: 
wahrscheinlich nicht aus purer Nächstenliebe. Der Markt ist reif. Man
spürte: Die Erpressung mit dem makellosen Model zieht nicht mehr 
lange. Die Kluft ist einfach zu groß geworden. Immer mehr Frauen 
haben einfach keine Lust mehr, einem uneinholbaren Idol 
nachzuhecheln. Sie möchten sich identifizieren können mit dem 
(Vor)-Bild auf dem Plakat.
Faltenkiller und Skalpell sind dennoch kein Auslaufmodell. 
Deutschland sucht auch weiterhin das Super-Model, und das unter 
großer Anteilnahme. Die Botox-Spritze füllt nun mal bequem die 
Kerben, die das Leben schlägt. Dem Schönheitschirurgen droht deshalb 
in absehbarer Zukunft nicht der Sturz ins Prekariat. Doch der 
Jugendwahn verliert ein wenig seinen Schrecken. Jedes Poster, auf dem
groß und klein und dick und dünn sich einen Platz erobert haben, 
lockert das Korsett.
Sagt uns das was über die Gesellschaft? Aber ja. Wir werden nicht
nur älter, sondern wir leben auch bewusster und damit 
selbstbewusster. 50 und fit, 60 und sexy, das muss heute kein 
Gegensatz mehr sein. Alter schützt vor Schönheit nicht.

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Telefon: (0201) 804-0
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