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WAZ: Projekt "altenfreundliche" Stadt: Wo das Ruhrgebiet Modellgebiet ist - Leitartikel von Rolf Potthoff
Essen (ots)
Einen (vermeintlichen) Nachteil in einen überzeugenden Vorzug wandeln - das ist eine Aufgabe, der sich die Ruhrgebietsstädte jetzt verpflichtet haben. Sie wollen die so genannte Überalterung ihrer Bevölkerung nicht als Manko, sondern als Chance für künftige, weitgehend neue städteplanerische Konzepte und für wirtschaftliche und soziale Strategien nutzen. Eine international anerkannte Modellregion für "Altersfreundlichkeit" soll das Revier werden.
Sich diesem Wettbewerb stellen - darin ist die Region gut beraten. Denn man hüte sich, eine älter werdende Einwohnerschaft als "Last" zu empfinden. Von der ethischen Bewertung einer solchen Einstellung ganz abgesehen: Die Älteren sind in der Regel mobiler, gesünder und aufgeschlossener als platte Vorurteile behaupten. Überdies - der Handel wird es wohl wissen - vereinen sie eine beachtliche Kaufkraft auf sich.
Tatsächlich ist die Region als Modellfall trefflich geeignet: In der demografischen Entwicklung ist sie anderen Ballungsräumen um etwa 15 Jahre voraus: Hier schrumpfte die Einwohnerzahl früher und parallel dazu stieg die Zahl der Älteren in der Bevölkerung eher an. Und der Trend ist ungebrochen: Im Jahr 2025 werden statt heute 5,3 Millionen nur noch 4,8 Millionen Menschen im Ruhrgebiet leben. Der Anteil der 60- bis 79-Jährigen wird dann auf gut 1,2 Millionen Einwohner gestiegen sein. Besonders stark wird die Zahl der über 80-Jährigen wachsen, auf gut 380 000.
Das stellt die Städte vor Herausforderungen; im Nahverkehr, Wohnungsbau, in Gesundheits- und Pflegebereichen. Zwar sind die Älteren keine "Nörgler-Generation". Doch gäbe es noch manches, um ihnen den Alltag zu erleichtern. Befragt man sie im Ruhrgebiet, wird man darauf gestoßen: Zu viele Busse fahren ab dem frühen Abend nicht mehr; oft sind die Verbindungen zu anderen Stadtteilen schwierig, was die Besuche von Angehörigen erschwert. Ferner fehlt es an Angeboten für betreutes Wohnen; Haushaltshelferdienste sind selten oder zu teuer. Auch herrscht Verunsicherung wegen Wohnungsprivatisierungen. Schließlich wird das häufige Wechseln des Personals bei Pflegediensten beklagt, wo doch viele Ältere gerade enge Vertrautheit brauchen.
Zwar schneidet das Ruhrgebiet bei der Beurteilung der Lebensqualität für Ältere schon heute besser ab als vergleichbare Räume. Genug getan ist noch nicht. Wenn die Revierstädte wirklich angehen, wozu sie sich gestern verpflichtet haben, brauchen sie in der Tat den Vergleich mit international klangvollen Namen nicht zu scheuen.
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