Ärztetag 2023: Freiheit und Verantwortung der ärztlichen Profession verteidigen!
Essen/ Hamburg (ots)
Auf dem ab 16. Mai in Essen stattfindenden Deutschen Ärztetag 2023 stehen wichtige gesundheitspolitische Themen auf der Tagesordnung, unter anderem die geplante Digitalisierung mitsamt einer elektronischen Patientenakte (ePA) sowie geplante Veränderungen im Bereich der Kliniken und Notdienste. Ein weiteres großes Thema: "Freiheit und Verantwortung der ärztlichen Profession".
"Was genau bedeutet, Freiheit und Verantwortung' angesichts eines Gesundheitsministeriums, das sich vor allem auf die Förderung von Klinikkonzernen und die Interessen der Medizin-, Pharma- und IT-Industrie fokussiert", fragt Allgemeinärztin Dr. Silke Lüder als Vize-Vorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ).
Die von Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach geplanten revolutionären Neuerungen und Veränderungen brächten laut Lüder eine völlige Umwälzung des deutschen Gesundheitswesens, und zwar gleich in mehreren Bereichen.
Geplantes Digitalgesetz = keine ärztliche Schweigepflicht mehr!
Die Freie Ärzteschaft betont vor dem anstehenden Ärztetag ihre Ablehnung einer künftig automatisch zentral angelegten elektronischen Patientenakte (ePA) ab Geburt jedes Menschen mit automatisiertem Datenabfluss, der dann nur mithilfe einer komplexen Widerspruchslösung verhindert werden kann. Lüder dazu: "Dieses Vorgehen hat der Bundestag bei der Organspende abgelehnt, bei den viel sensibleren Krankheitsdaten soll es aber nun per staatlichem Zwang durchgesetzt werden. Damit werden die informationelle Selbstbestimmung und die ärztliche Schweigepflicht ausgehebelt."
Von Patientinnen und Patienten zu erwarten, dass sie sich aktiv gegen diese Datenübertragungen aussprechen, sei eine Zumutung für die Betroffenen, so Lüder weiter. Zumal gerade ältere Menschen damit überfordert seien und mitunter gar nicht über entsprechende (digitale) Widerspruchsmöglichkeiten verfügten.
Die gleichzeitig laufende EU-weite Planung für einen europäischen Datenraum, bei der die Krankheitsdaten der Patienten ohne Widerspruchsrecht aus Praxen und Kliniken für kommerzielle Forschungen abgefordert werden könnten, bewertet die Freie Ärzteschaft als "schrankenlose Kommerzialisierung" zugunsten neuer Geschäftsfelder und als Zerstörung der jahrtausendealten Grundlagen der ärztlichen Profession.
Patienteninteressen aus dem Blick verloren
Auch bei den anstehenden grundlegenden Veränderungen der Kliniklandschaft, des Notdienstsystems und der sogenannten Ambulantisierung stünden Lüder zufolge gesundheitspolitisch vor allem kommerzielle Aspekte wie Kosteneinsparungen im Mittelpunkt, nicht aber die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. Zumal in dem von Bundesminister Karl Lauterbach eingesetzten Expertenrat ambulante Praxisvertreter und die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens komplett fehlten und die Ergebnisse dementsprechend "weltfremd" seien. "Rund 90 Prozent aller Krankheitsfälle werden aktuell ambulant behandelt", betont die Hamburger Allgemeinmedizinerin Silke Lüder und damit auch den Stellenwert der ambulanten Medizin. "Tausende von unbesetzten Praxissitzen, Frustration bei Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Fachpersonal und keinerlei finanzielle Unterstützung der Praxen im Gegensatz zu den Kliniken; hier wird das ehemals ,beste Gesundheitssystem der Welt' zerstört - ein Gesundheitswesen, das Jahrzehnte lang gut funktioniert hat!"
Förderung statt Budgetierung
"Wie im stationären Sektor brauchen auch niedergelassene Praxen einen Energiekostenzuschuss, Inflationsausgleich und eine echte Finanzierung der Digitalisierungskosten", ergänzt Wieland Dietrich, Bundes-Vorsitzender der Freien Ärzteschaft und niedergelassener Hautarzt in Essen. "Wer wirtschaftlich vernünftige Medizin möchte, muss die ambulante Medizin auch anständig bezahlen - also Förderung statt Budgetierung", so Dietrich weiter.
GOÄ-Punktwerte erhöhen
Die Krankenkassen geben nur rund 15% ihrer Einnahmen für die ambulante Medizin aus, zu wenig bei einer immer älter werdenden Gesellschaft und propagierter Ambulantisierung. "Die Leidtragenden der anstehenden Veränderungen im Gesundheitssystem werden die Patientinnen und Patienten sein", fasst Dietrich zusammen. Für den Bereich der privaten Medizin fordert die Freie Ärzteschaft (FÄ) eine deutliche Punktwerterhöhung in der geltenden Gebührenordnung (GOÄ). Aus Sicht der FÄ ist es ein Skandal, dass die Honorare nach über 27-jähriger Stagnation nicht angehoben werden. Dies führe zu einem Ausbluten aller Praxen, denn auch die Existenz der meisten Vertragsarztpraxen sei mit von der GOÄ abhängig.
Rasches Umsteuern erforderlich
"Wenn hier kein zügiges Umsteuern bei der Gesundheitspolitik erfolgt, befürchte ich dramatische gesundheitliche Versorgungsprobleme und Folgen für kranke Menschen hierzulande", warnt der FÄ-Vorsitzende. Umso mehr sei der Deutsche Ärztetag Mitte Mai dazu aufgefordert, sich eindeutig zu positionieren. "Freiheit und Verantwortung sind möglich - aber sie erfordern einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik!", betont Wieland Dietrich.
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.
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