Umfrage: Hohe Kapitalkosten zwingen Unternehmen zu massiven Anpassungen - Deutschland schwächer als andere Länder
München (ots)
- Taktische Optimierungen der Passivseite sind nur vorübergehende Lösung
- Unternehmen müssen in disruptivem Umfeld die grundlegenden operativen Herausforderungen meistern
- Höchstwert im Ländervergleich: Drei von vier deutschen Befragten erwarten für das eigene Land konjunkturelle Schwierigkeiten in den nächsten 12 Monaten
- Hohe Kapitalkosten bleiben Hauptfaktor für Notlagen und Restrukturierungen
- Risiken steigen wegen geopolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheit
- Unternehmen planen Refinanzierungen und Teilverkäufe zur Schuldenbewältigung
Das weltweit tätige Beratungsunternehmen AlixPartners hat die Ergebnisse seiner 19. globalen "Turnaround & Transformation Survey" veröffentlicht. Die Umfrage zeigt, dass die weltweit führenden Turnaround-Experten die hohen Kreditkosten weiterhin als zentralen Faktor für finanzielle Notlagen und Restrukturierungen von Unternehmen betrachten. Disruptive Einflüsse wie anhaltende globale Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheit und Veränderungen im Verbraucherverhalten erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Unternehmenskrisen im kommenden Jahr. Dabei zeichnen die Befragten vor allem für den deutschsprachigen Raum ein düsteres Bild, sind weitaus pessimistischer mit Blick auf den konjunkturellen Ausblick und antizipieren deutlich zunehmende Restrukturierungsaktivitäten hierzulande.
Optimierung der Passivseite im Hochzinsumfeld nur vorübergehende Lösung
Fast alle 700 befragten Führungskräfte mit Restrukturierungsbezug (Kreditgeber, Banker, Anwälte etc.) betonen, dass die Optimierung der Verbindlichkeiten nur eine temporäre Lösung darstellt und im derzeitigen Hochzinsumfeld oft unwirksam ist. Angesichts der bevorstehenden Fälligkeiten in den Jahren 2025-2027 für Leveraged Loans und hochverzinsliche Anleihen werden viele Unternehmen ihre Refinanzierung nur schwer bewältigen können. Dabei wird es mit dem bloßen Verlängern der Laufzeiten nicht getan sein - um das Problem zu lösen, müssen die zugrunde liegenden operativen Herausforderungen angegangen werden.
Déjà-vu befürchtet: Viele Unternehmen werden wieder in Schieflage geraten
Mehr als ein Drittel der befragten Turnaround-Experten erwartet, dass die Mehrheit der notleidenden Unternehmen, die erst jüngst ihren Liquiditätsspielraum durch Optimierung der Passivseite oder Aufnahme von zusätzlichem Kapital erweitert haben, schon in den nächsten drei Jahren erneut in Schieflage geraten wird. Dies betrifft insbesondere solche Unternehmen, die ihre Laufzeiten verlängert haben, anstatt das Kapital zu nutzen, um die Probleme in ihrem Unternehmen durch betriebliche Umstrukturierungen, Kostensenkungen und andere Maßnahmen zur Gewinnsteigerung anzugehen. Sie sollten das neu gewonnene Kapital dafür einsetzen, die gestiegenen Kosten, die sinkende Nachfrage und den Abbau der Verbindlichkeiten zu bewältigen.
Realistischer Blick auf Kapitalsituation und operative Herausforderungen notwendig
Dr. Rainer Bizenberger, Co-Head Turnaround und Restrukturierung bei AlixPartners in der DACH-Region, kommentiert: "Wir sehen zwar noch keine Spitzenwerte bei Restrukturierungen wie in der Finanzkrise vor rund 15 Jahren oder der jüngsten Pandemie. Allerdings erwarten wir, dass der aktuelle Trend der verstärkten Restrukturierungsaktivitäten noch einige Zeit anhalten wird. Im derzeitigen Zinsumfeld ist es für Vorstände und Geschäftsführer essenziell, Kapitalkosten und Refinanzierbarkeit realistisch einzuschätzen, um die Liquidität auszusteuern."
Jens Haas, Co-Head Turnaround und Restrukturierung in DACH, ergänzt: "Vermeintlich kreative Lösungen auf der Passivseite, die lediglich dazu dienen, Zeit zu gewinnen und kurzfristig Liquidität freizusetzen, führen meist zu Verzögerungen längst überfälliger Restrukturierungen. Die Probleme werden mit solchen Maßnahmen nicht grundsätzlich und nachhaltig gelöst. Die Restrukturierung wird damit umso härter, weil es noch weniger Handlungsspielräume gibt. Wenn sich Unternehmenskrisen dann zuspitzen, wird es auch zu mehr kurzfristigen Verkäufen von Unternehmensteilen oder zu Insolvenzen kommen."
Deutsche Unternehmen stehen besonders unter Druck
65% der deutschen Befragten rechnen damit, dass die Automobilindustrie im eigenen Land weiter unter erheblichem Druck stehen wird. Das ist deutlich mehr als in Nord- und Südamerika (17%), was den anhaltenden disruptiven Wandel in Europa verdeutlicht (bspw. 48% in Italien). Darüber hinaus glauben mehr als 70% der deutschen Befragten, dass Deutschland am ehesten wirtschaftliche Schwierigkeiten erfahren wird. Dies ist der im weltweiten Vergleich höchste Wert. Die wenigsten rechnen mit einem Wirtschaftswachstum in den nächsten zwölf Monaten. Diese Besorgnis spiegelt sich auch in der wachsenden Aktivität des "Sunsetting" wider, bei dem Unternehmen entweder durch den Verkauf von Vermögenswerten Liquidität generieren oder durch Geschäftsaufgaben Kosten senken.
Unternehmen reagieren mit Refinanzierungen und Verkauf von Unternehmensteilen
82% der weltweit Befragten gehen davon aus, dass die Kapitalkosten auf dem derzeitigen Niveau bleiben oder weiter ansteigen werden, gegenüber 98% im Jahr 2023. Nur 18% erwarten, dass sie sinken werden. Allerdings sagen 28% der Befragten, dass sich die Verfügbarkeit von Kapital im Jahr 2024 verbessern wird, gegenüber 67% der Befragten im Jahr 2023, die von einem Rückgang der Kapitalverfügbarkeit ausgingen.
Eine deutliche Mehrheit (72%) der Turnaround-Experten gibt an, dass Unternehmen eine Refinanzierung und den Verkauf von Unternehmensteilen planen, um Barmittel zur Schuldentilgung zu beschaffen und finanzielle Risiken wie Liquiditätsengpässe oder Zahlungsausfälle zu verringern. Der Verkauf von Vermögenswerten könnte in Form von Ausgliederungen und Abspaltungen erfolgen. Daher glauben 65%, dass die M&A-Transaktionen im Zusammenhang mit notleidenden Assets in diesem Jahr zunehmen werden. Vereinbarungen mit Gläubigern zur Optimierung der Passivseite stehen an zweiter Stelle: 41% der Befragten gaben an, dass sie im kommenden Jahr darauf zurückgreifen werden.
Haupttreiber von Notlagen und Umstrukturierungen
Kapitalverfügbarkeit und -kosten, geopolitische Unruhen und Inflation gelten als die wichtigsten Faktoren, die die Wirtschaft in Bedrängnis bringen. Geopolitische Instabilität ist zum größten Faktor geworden, der die Weltwirtschaft langfristig gefährdet. 74% der Turnaround-Experten sind der Ansicht, dass die Spannungen zwischen den USA und China direkt zu einer Zunahme von Schieflagen führen werden. Die Auswirkungen von Zinssätzen, Klimawandel und Inflation nehmen dagegen ab. So gaben beispielsweise nur 4% der befragten US-Amerikaner an, dass der Klimawandel die größte Herausforderung darstellt, die langfristige wirtschaftliche Folgen für den globalen Markt haben wird. Ausreichende Liquidität, Kostensenkungen und die Flexibilität sowie Agilität des Managements wurden als die häufigsten Herausforderungen genannt, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, die vor einem Turnaround oder Übergang stehen.
Düstere Aussichten für Finanzierungsbedingungen
Die Aussichten für Refinanzierungen sind nach wie vor düster: 47% der Sanierungsexperten sagen, dass die Bedingungen in den nächsten zwölf Monaten restriktiver werden. Der Umfrage zufolge greifen in diesem Jahr weniger Unternehmen auf die Kapitalmärkte zurück, um ihren Liquiditätsspielraum zu erweitern. Die Verfügbarkeit von privatem Kapital ist gestiegen, da sich die Banken aus dem Markt zurückgezogen und die Kreditvergabestandards verschärft haben. 87% der Befragten gaben an, dass die Verfügbarkeit von Private Debt im Vergleich zu 2023 steigen oder gleichbleiben wird.
Methodik
Die Umfrage für die 19. jährliche "Turnaround & Transformation Survey" wurde im Mai 2024 durchgeführt. Dabei wurden mehr als 700 (165 aus Deutschland) Anwälte, Investmentbanker, Kreditgeber, Finanzberater und andere Führungskräfte befragt, die an Restrukturierungen beteiligt sind. Insgesamt wurden mehr als 20 Branchen in Nord- und Südamerika, Europa, dem Nahen Osten und Afrika sowie Asien berücksichtigt.
Weitere Informationen über die Umfrage finden Sie hier.
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