Neue OZ: Kommentar zu Literatur
Nobelpreis
Osnabrück (ots)
Kniffliges Votum
Ein Chinese, aber kein Dissident bekommt den Nobelpreis für Literatur. Der Ehrung von Mo Yan fehlt die behagliche Eindeutigkeit, die wir im Umgang mit China gewohnt sind. Wo das Regime mit Strafprozessen und Ausreiseverboten gegen Intellektuelle wie Ai Weiwei, Liao Yiwu oder den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo vorgeht, sind die westlichen Sympathien leicht verteilt.
Mo verweigert sich dieser schnellen Einordnung: Zwar arrangiert er sich mit dem Regime; Seite an Seite mit dem chinesischen Botschafter verließ er 2009 sogar den Raum, als Dissidenten bei der Frankfurter Buchmesse sprechen sollten. Gleichzeitig nutzt er seine Position, um Fragen wie die Ein-Kind-Politik zu thematisieren.
Weil er nicht in offener Opposition, sondern im Kompromiss auf die Unfreiheit reagiert, zwingt Mo Yan zum genauen Lesen. Besonders im Westen kann das einen erfreulichen Nebeneffekt haben: Bei der Lektüre werden nicht nur die politischen Signale des Nobelpreises überprüfbar, sondern auch sein Anspruch als einflussreichstes Siegel literarischer Qualität.
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