Neue OZ: Kommentar zu Glücksbringer
Osnabrück (ots)
Jeder Zeit ihre Talismane
Sie glaubten an Geister und konnten nicht schreiben - jene Menschen, die sich im Mittelalter Bleiplättchen um den Hals hängten, um sich vor allem Bösen zu schützen. Die Botschaften dieser Amulette, die Forscher jetzt entziffert haben, lesen sich wie Botschaften aus einer sehr fernen Zeit. Aber nur auf den ersten Blick. Denn auch der aufgeklärte Mensch von heute kann offenbar nicht ohne Talisman sein.
Wissensgesellschaft und Glücksbringer - das passt eigentlich nicht zusammen. Und doch: iPhone und Fetisch finden erstaunlich oft in der gleichen Rocktasche Platz, wenn sie nicht ohnehin für viele ein und dasselbe sind. Wer auf Glücksbringer setzt, der gesteht sich ein, dass das Leben eben doch nicht berechenbar ist - allem Fortschritt zum Trotz. Feenstaub, Sorgenpüppchen, Liebesengel: Das sind keine Fetische ferner Zeiten, sondern Angebote von Internetkaufhäusern.
Deshalb lächle heute niemand über die Bleiplättchen ferner Jahrhunderte. Mag auch das Schwermetall auf bloßer Haut höchst ungesund gewesen sein - die Objekte sollten Gefahren abwehren. Könnte es sein, dass der Bedarf für Talismane gerade heute wieder steigt?
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