Westfalenpost: Bitterer Kniefall
Hagen (ots)
Finanzkrise entlarvt Mittelmäßigkeit Von Jörg Bartmann Jede Zeit braucht helle Köpfe, die über den Tellerrand schauen. Je schnelllebiger die Zeit vonstatten geht, um so wichtiger sind ruhende Pole mit Vorbildcharakter. Entscheidungsträger sind gefordert, die nicht zwischen 12 Uhr und Mittag alles erledigen, sondern ausgewogen, ohne dem Zeitgeist Tribut zu zollen, Arbeitsplätze, Familien und Staat im Blick haben. Diese so genannte Elite ist ausgedünnt, unterentwickelt in einer globalisierten Welt, die dem schnellen Geld, der kurzfristigen Anlage hinterherrennt. Das gilt ja nicht nur für die Bankenbranche - da aber im Moment besonders. Vorbei die Zeiten als ein Banker sich wie folgt buchstabierte: A wie Abs, B wie Abs, S wie Abs. Natürlich litt dieser Mann, ein Typ für sich, nicht unter Minderwertigkeitskomplexen. Er hatte sein Metier im Griff, war entscheidungsfreudig, ohne das Gemeinwohl zu vernachlässigen. Aus ähnlichem Holz war einer seiner Nachfolger bei der Deutschen Bank geschnitzt: Alfred Herrhausen, der sich einem veränderten Weltbild stellen musste: Er hatte Antworten parat, wusste mit Visionen zu überzeugen, bis ihn die Rote Armee Fraktion (RAF) sinnlos wegbombte. Es folgten die geringschätzigen Peanuts-Diskussionen oder Victory-Zeichen der Spitzenbanker, die den Boden unter den Füßen verloren - mit der alleinigen Ausrichtung auf Zahlen, Zahlen. . . Die Finanzkrise hat diese erste Garde entlarvt. Plötzlich, aus dem Nichts, kam der verschmähte Ruf nach dem Staat. Es war ein Kniefall vor der eigenen Unzulänglichkeit, der nicht erkannten Gefahr einer Krise, die sie überforderte. Die Bilanzaufbesserung durch Massenentlassungen verpuffte in einem Finanzchaos. Da stellt sich die Frage nach Verantwortung, nach fachkundiger Beratung im Jetzt. Klar erkennbar ist nur: Die Höhe der Bezüge korrespondiert auf keinen Fall mit dem sinnvollen Einsatz von Macht. Vielfach sind überbezahlte Manager nur darauf aus, ihre Verträge zu verlängern. Da haben sich Wirtschaft und Politik fatal angenähert. Querdenker, Vorbilder werden weggebissen, es ist die Zeit für Mitläufer, daraus resultiert Mittelmaß. Von entzauberten Superstars haben wir die Nase voll, die mit präsidialer Attitüde dozieren, wortgewandt den moralischen Anspruch unterstreichen, um dann gegensätzlich zu handeln. Deshalb birgt die Finanzkrise auch eine Chance: Allzu riskante Entscheidungen müssen (vorab) besser überprüft werden. Wofür gibt es gutbezahlte Aufsichtsräte? Die dürfen sich aber nicht als funktionierendes Netzwerk verstehen, sondern müssen bei gravierenden Fehlentscheidungen mit Regressansprüchen rechnen.
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