Westfalenpost: zu Hamburg
Hagen (ots)
Alles war absehbar. Der Triumph der SPD, der bei Lichte besehen nichts über den Zustand der Bundespartei aussagt, und die klatschende Niederlage der CDU. Letztere ist allerdings mehr Symptom als nur lokales Ereignis. Hamburg ist Hamburg, und von den Wahlberechtigten her ist es kein bedeutenderer Wahlgang als der zu einer Oberbürgermeisterwahl in Köln. Gleichwohl hat der lustlose Abgang des Ole von Beust eine Lücke gerissen, die die Merkel-CDU nicht mehr füllen kann. Sie kann überhaupt nicht mehr viel füllen, weil ihr das Personal in einer Geschwindigkeit abhanden kommt, dass es an Fahnenflucht grenzt. Für die Kanzlerin bedeutet dies, so paradox bewegen sich manchmal die politischen Gewichte, zunächst einen Machtzuwachs. Ohne sie geht in der CDU nichts mehr, nachdem all die Granden der alten Hinterzimmer-CDU von Bord sind. Aber was geht mit ihr? Wofür steht die jetzt omnipotente Kanzlerin? Da werden selbst eingefleischte Merkelianer schmallippig und einsilbig. Sie steht eigentlich nur für eines: Einen rationalen Politikstil, der aber erschütternd perspektivlos, ans herzlose grenzend komplett ideologiefrei ist. Auch das war absehbar. So war Angela Merkel immer schon, und das fanden in Ost und West die der politischen Grabenkämpfe Ermüdeten gerade erfrischend. Endlich mal jemand, der Regieren als Handwerk, als unterkühlt unemotionales Geschäft betrieb. Kein großspuriges, cholerisches Regieren wie unter Basta-Kanzler Gerhard Schröder, kein Strippenzieher-Amigo-System wie unter Altkanzler Kohl. Seien es die Sozialdemokraten als Koalitionspartner, seien es die zunächst kraftstrotzenden Liberalen - Merkel kümmerte sich mehr um die Tagesordnung und ihre Fußnoten denn um die großen Leitsätze. Damit dürfte nun Schluss sein. Die bundesweit geschwächte, ja gedemütigte FDP wird sie zu einem noch unberechenbareren Gefährten machen. Die SPD wird Oberwasser bekommen, auch wenn das Beispiel Hamburg dafür gar nicht taugt. Denn im Hamburg gewann ein Exponent der Schröder'schen Agenda 2010, die Parteichef Sigmar Gabriel gerade auf kaltem Wege abzuwickeln versucht. Also auch hier: Ball verkehrt!</p><p>Klarer sehen wir, wenn die wirklich wichtigen Wahlen im Jahreslauf stattgefunden haben. Dann zeigen sich die tatsächlichen Schwerkräfte in der Wählerschaft. Dann dürfte es für einen Aufbruch der CDU aber zu spät sein.
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