Westfalenpost: Nur wer lesen kann, kann auch Demokratie
Hagen (ots)
Von Monika Willer
Warum ist die Frankfurter Buchmesse Jahr für Jahr so faszinierend für ein sehr breites Publikum? Die Antwort zielt auf unser Verständnis als Kulturnation: Weil in Frankfurt traditionell die einander sonst eher widerstrebenden Kräfte Geschäft und Geist, Bildung und Kommerz, Glamour und Sozialkritik zusammenkommen. Und weil das Buch - oder besser das vervielfältigte Wort - nach wie vor das Leitmedium unserer Gesellschaft ist. Alle unsere demokratischen Tugenden und wirtschaftlichen Erfolge setzen voraus, dass eine möglichst große Zahl von Menschen den Zugang zum Erlernen des Lesens hat. Wie revolutionär dieses Bildungsideal immer noch ist, haben die Konflikte mit den vergangenen Buchmessen-Ehrengästen wie China und der Arabische Welt gezeigt, wo Meinungsfreiheit ein Fremdwort bleibt. Der Literaturbetrieb hat einen ebenso aufklärerischen wie politischen Auftrag. Dieser gewinnt unerwarteterweise im Internetzeitalter noch an Bedeutung. Denn die wirklich erfolgreiche Nutzung der neuen Medien setzt wiederum eine hochentwickelte Lesekompetenz voraus. Und die Nutzung des Internets als Instrument der Meinungsbildung in den Ländern, in denen es keine Meinungsfreiheit gibt und bestimmte Informationen auf dem Printweg nicht zu beschaffen sind, zeigt: Die Buchbranche hat Recht, wenn sie zwischen der eigentlichen Ware, der Idee, und den Vertriebskanälen unterscheidet. Die Buchbranche weiß aber genau, dass ohne relevante Inhalte die innovativsten Vermarktungswege langfristig nichts nutzen. Eine schlechte Geschichte wird in der Verfilmung oder in der Adaption als Computerspiel schlecht bleiben, da können die technischen Effekte oder die grafische Animation noch so hervorragend sein. Frankfurt zeigt, dass die spannende gesellschaftspolitische Herausforderung unserer Epoche darin besteht, dass eben möglichst viele Bürger zwischen einer guten und einer schlechten Geschichte, zwischen Information und Propaganda, unterscheiden lernen. Auch, wenn es einfacher ist, auf bunte Bildchen zu klicken. Deshalb führt auch in Zukunft an der Kulturtechnik des Lesens kein Weg vorbei.
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