Westfalenpost: Der Praxisgraben in der Bildungsrepublik Überraschende Studenten-Überraschung Von Harald Ries
Hagen (ots)
Das ist doch wohl ein Grund zur Freude: Noch nie gab es einen solchen Ansturm auf die Hochschulen wie im Herbst 2011. Das ist es ja genau, was unser Land braucht, um bestehen zu können in der globalisierten Welt: Bildung, Ideen, Kreativität. Offenbar sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Für die Erstsemester stellt sich das allerdings anders dar: Die Begrüßungsfeier findet im Fußballstadion statt (Braunschweig), Kinos dienen als Hörsäle (Düsseldorf), Treppen, Fußböden und Heizungen halten als Sitzplätze her (Münster), wenn die Bildungshungrigen nicht gleich draußen vor der Tür bleiben (Köln). Wer ein Zimmer in einer Studenten-WG zu vergeben hat, darf unter einer dreistelligen Bewerberzahl selektieren, und der Versuch, eine Übernachtungsgelegenheit zu finden, kann auch im Keller eines Wohnheims enden. Eine Katastrophe ist das alles nicht. Ähnliches konnten Studenten auch schon vor Jahrzehnten erleben. Aber es zeigt, dass zwischen den Sonntagsreden von der Bedeutung der Bildung und der Praxis ein tiefer Graben klafft. Denn dass die hohe Zahl der Studienanfänger die Verantwortlichen jetzt überrascht, kommt wirklich überraschend. Die westfälischen Hochschulen haben sich durchaus vorbereitet, räumlich und organisatorisch. Sie bekommen im Hinblick auf den doppelten Abiturjahrgang 2013 auch mehr Geld. Aber nicht einmal einen vollen Ausgleich für den Wegfall der Studiengebühren. Es reicht einfach nicht. Im internationalen Bildungsvergleich hat Deutschland noch immer zu wenige Studenten und gibt zu wenig für sie aus. Die NRW-Wissenschaftsministerin fordert jetzt zusätzliches Geld vom Bund. Aber wenn dieser sich engagieren will, schreien die Länder auf und pochen auf ihre Hoheit in Kultur- und Bildungsfragen. An Schulen führt dies zu einer absurden Kleinstaaterei. Die Hochschulen setzen dagegen mit den Bachelor- und Master-Studiengängen auf internationale Vergleichbarkeit. Umso weniger Sinn ergibt es, sie 16 Bundesländern zu überlassen. Bildung als zentrale nationale Aufgabe sollte endlich auch national angegangen werden
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