Westfalenpost: Kommentar zu Justiz/Gesetze/Regierung/Parlament/Griechenland/Gericht bekräftigt Abgeordneten-Recht/Von Winfried Dolderer
Hagen (ots)
Zwei Tage, zwei Schauplätze: Zunächst in Berlin die Abstimmung über das neue Griechen-Hilfspaket. In Karlsruhe am Morgen danach das neueste Urteil zur Euro-Rettung. Eine reizvolle Abfolge, keine Frage. Schließlich war im Bundestag einmal mehr die ganz große Koalition der Euro-Retter zu besichtigen, an die wir uns seit zwei Jahren zusehends gewöhnt haben. Fast ein Allparteien-Bündnis, gäbe es die Linke nicht. Missmutig, bangend, von wachsenden Zweifeln erfüllt, aber letztlich überwältigt vom Eindruck des Unvermeidlichen. Man könnte sagen: Wenn das so ist, der parlamentarische Konsens stets abrufbar bereitsteht und man sicher sein kann, dass auch noch das dritte, vierte, fünfte Griechen-Paket mit ähnlichen Mehrheiten durchgeht, warum dann das Plenum überhaupt behelligen? Überlassen wir doch die ganze Euroretterei, soweit sie den Bundestag betrifft, einem Gremium von Experten. Pragmatisch wäre es. Doch Funktionsfähigkeit, mahnte das Gericht, sei in der Demokratie kein Selbstzweck. Zu den Pflichten des Abgeordneten zählt, seine Rechte nicht zu veräußern. Von beidem haben die Richter einen hohen Begriff. So lässt sich das Urteil auch als Kontrapunkt lesen zum tags zuvor erneut manifestierten Angstkonsens im Bundestag. Wenn dann dieselben Abgeordneten das Urteil feiern, die zuvor das gerügte Gesetz einhellig beschlossen haben, so ist dies keine neue, aber immer wieder possierliche Erfahrung. Das Parlament immer wieder zur Selbstverantwortung zu ermutigen, ist inzwischen gute Karlsruher Tradition.
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